Sachsens Datenschutzbeauftragte kritisiert die biometrische Überwachung in der Region Görlitz scharf. Sie hält das Vorgehen für „höchst bedenklich“ und verfassungswidrig. An Polizei und Staatsanwaltschaften richtet sie den Appell, diese Form der Überwachung vorerst zu unterlassen.
Das Überwachungssystem PerIS gibt es stationär, wie auf dem Bild, und mobil. – Screenshot Werbevideo PptoPrecisionDie sächsische Datenschutzbeauftragte Juliane Hundert kritisiert das Vorgehen der Polizei ihres Bundeslandes wegen des Einsatzes von biometrischer Bilderkennung als teilweise verfassungswidrig. Im Fokus der Datenschutzbeauftragten sind insbesondere Maßnahmen der Polizei in der Region Görlitz, wo diese 17 stationäre Kameras und eine nicht bekannte Zahl mobiler Kameras zur Überwachung einsetzt. Mit der Görlitzer Überwachungstechnik „PerIS“ kann die Polizei Kennzeichen von durchfahrenden Kraftfahrzeugen sowie Gesichtsbilder der Fahrer:innen und Beifahrer:innen aufnehmen und automatisch auswerten, sie hat dies in der Vergangenheit auch getan.
Laut der Sächsischen Zeitung (SZ) fordert die Landesdatenschutzbeauftragte Juliane Hundert deswegen neue rechtliche Vorgaben für Videoaufnahmen im öffentlichen Raum. Sie kritisiert laut dem Medienbericht, dass die Kameras filmen, was ihrer Meinung so eigentlich nicht gefilmt werden darf. „Meinen Erkenntnissen nach findet dabei bisher in ausgewählten Fällen ein automatisierter biometrischer Abgleich von aufgezeichneten Gesichtsbildern mit zuvor hinterlegten Referenzbildern statt“, zitiert die Zeitung die Datenschutzbeauftragte.
„Höchst bedenklich“ und gegen die VerfassungObwohl dies auf richterliche Anordnung geschehe, hält Hundert die Maßnahmen für „höchst bedenklich“, weil das System von Unbeteiligten und nicht-verfahrensrelevanten Personen biometrische Muster ihrer Gesichter erstelle. Diese Eingriffstiefe sei „nicht ansatzweise von den aktuell geltenden Ermittlungsbefugnissen in der Strafprozessordnung gedeckt“. Hierfür bedürfe es einen bestimmten und normenklaren gesetzlichen Grundlage. Mit Blick auf die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts hält Hundert die Überwachung für verfassungswidrig, heißt es weiter in dem Medienbericht.
Das sächsische Innenministerium sieht das laut der Sächsischen Zeitung anders. „Die Anwendung der Videoüberwachung im Rahmen der Strafverfolgung ist rechtmäßig nach der Strafprozessordnung“, heißt es dort auf Nachfrage der SZ. Zudem verzichte man „bis auf Weiteres“ auf die Verwendung der Echtzeitfunktion, betont jedoch, dass sich das System bewährt habe und verweist auf immer mehr Treffer durch das System. Im Medienbericht ist hierbei von 101 (2020), 301 (2021), 124 (2022) und 387 Hinweisen auf gesuchte Personen im vergangenen Jahr die Rede. Die „überwiegende Mehrzahl“ dieser Treffer wird laut dem Ministerium „auf dem Wege klassischer kriminalistischer Arbeit händisch oder teilweise mittels retrograd-biometrischem Abgleich“ erzielt. Ähnliches hatte die Polizei Görlitz in der Vergangenheit auch gegenüber netzpolitik.org angegeben.
Appell an Polizei und StaatsanwaltschaftenDie Datenschutzbeauftragte appelliert laut der SZ nun „an Polizei und Staatsanwaltschaften in Sachsen, solche Maßnahmen künftig nicht mehr zu beantragen“. Das freut die Piraten-Politikerin Anne Herpertz, die sich schon länger mit der Überwachung in Görlitz befasst: „Wir begrüßen sehr, dass die Datenschutzbeauftragte unserer Forderung nach Untersagung von Anträgen und Anordnungen nachkommt.“ Es sei allerdings nicht hinnehmbar, dass das Innenministerium die Verfassungswidrigkeit der Überwachungsmaßnahmen leugne. „Ein Verzicht auf die Echtzeitfunktion behebt das Problem nicht – Gesichtserkennung ist und bleibt verfassungswidrig“, so Herpertz weiter.
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Bei Ermittlungen nach Einbrüchen soll die Polizei weitere fünf Jahre Kommunikation überwachen dürfen. Ursprünglich war das nur bei Verdacht auf eine Bande erlaubt, 2019 fiel diese Voraussetzung vorübergehend weg. Eine Evaluation sollte zeigen, ob das sinnvoll ist, doch dann kam Corona.
Wohnungseinbrüche gingen während der Pandemie zurück. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Eyasu EtsubErmittlungsbehörden sollen bei Wohnungseinbruchdiebstahl weiterhin Telekommunikation überwachen dürfen, auch wenn es sich mutmaßlich um Einzeltäter:innen handelt. Ursprünglich war das nur bei Verdacht auf bandenmäßig organisierte Einbrüche erlaubt. Die Erweiterung aus dem Jahr 2019 war eigentlich bis Ende dieses Jahres befristet, doch das Bundesjustizministerium (BMJ) hat nun dem Bundestag eine Formulierungshilfe vorgelegt, um die Befristung um fünf Jahre zu verlängern.
Die geplante Verlängerung hatte das BMJ schon im Frühjahr angekündigt. Grund dafür ist, dass eine Evaluierung der ursprünglichen Erweiterung nicht besonders aussagekräftig war. Laut Formulierungshilfe liegt das etwa an der Pandemiezeit, in der Menschen häufiger zu Hause waren und Einbruchzahlen zurückgegangen sind.
Doch auch bei den stattgefundenen Wohnungseinbruchdiebstählen wurden entsprechende Telekommunikationsüberwachungen laut der Untersuchung selten angeordnet: bei 0,08 bis zu 3,07 Prozent der geführten Ermittlungsverfahren. Das sieht das BMJ als positiven Beleg dafür, „dass dieses Ermittlungsinstrument mit Augenmaß und nur in geeigneten Fällen von erheblichem Gewicht eingesetzt wird“.
Eine erneute Evaluation soll kommenDie Ausweitung der Taten, bei denen Ermittlungsbehörden sowohl klassische Abhörmaßnahmen als auch Staatstrojaner einsetzen dürfen, sei als sensibel anzusehen, so die Begründung des BMJ-Entwurfs. Daher soll es vor Ablauf der verlängerten Frist wieder eine Evaluation geben. Schon im April hatte die Unionsfraktion im Bundestag ihrerseits einen Entwurf zu einer Verlängerung eingebracht, der jedoch abgelehnt wurde. In der zugehörigen Anhörung hatten Sachverständige kritisiert, dass es sich bei der Befugniserweiterung um Symbolpolitik handele.
Die jetzige Formulierungshilfe soll laut BMJ im Rahmen einer Änderung des Strafgesetzbuches in den parlamentarischen Prozess gehen, die der Bundestag am Donnerstag in 1. Lesung besprechen wird. Im Gesetzentwurf zur „Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften“ geht es unter anderem auch um den Einsatz von Tasern.
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Wir sprechen mit Katarzyna Szymielewicz, Präsidentin der polnischen NGO Panoptykon Foundation. Wie hat sich die Situation für digitale Rechte verändert, seit Donald Tusk die Regierung übernommen hat? Was passiert an der Ostgrenze des Landes? Wie steht es um die Untersuchung zu Pegasus? Und sitzen wir alle in einem sinkenden Schiff?
Katarzyna Szymielewicz studierte Jura und Entwicklungswissenschaften. – CC-BY-SA 4.0 Wikimedia CommonsDie Panoptykon Foundation ist eine polnische NGO, die gegen Überwachung und für Digitalrechte kämpft. Eine ihrer Mitgründerinnen war 2009 Katarzyna Szymielewicz. Szymielewicz ist heute immer noch Präsidentin der Stiftung und leitet ihre europäische Lobbyarbeit. Wir haben mit ihr am Rand des Tech and Society Summits gesprochen, wo Europas Zivilgesellschaft zusammenkam, um ohne Big Tech über Digitalpolitik zu diskutieren.
netzpolitik.org: Was ist gerade das größte digitale Thema in Polen?
Katarzyna Szymielewicz: Für uns bei Panoptykon gibt es nicht wirklich eine Abgrenzung zwischen Polen und allem anderen – wir denken global über digitale Probleme nach, weil sie Grenzen überschreiten.
Eine zentrale Herausforderung bleibt, den digitalen Raum zurückzugewinnen, besonders die sozialen Medien. Was wir in Polen und auch in vielen anderen Ländern erleben, ist die Polarisierung der Debatten.
Der jüngste Regierungswechsel in Polen war ein großer politischer Wandel, hat sich aber nicht positiv auf dieses Problem ausgewirkt. Die Gesellschaft ist tief gespalten. Das hängt damit zusammen, wie die sozialen Medien funktionieren, wie sie Geld verdienen und was Werbeunternehmen erwarten. Im Moment haben wir ein geschlossenes Ökosystem, in dem alle das gleiche Spiel spielen, außer den Social-Media-Plattformen. Die sind wie ein Kasino, das immer einen Gewinn macht, wenn wir verlieren.
Wenn man Politiker:innen in Polen fragen würde, würden die sicher etwas anderes erzählen. Aber ich bin mir ziemlich sicher: Es würde einen gewaltigen Unterschied machen, wenn wir verbessern würden, was in sozialen Medien Reichweite bekommt. Ich sehe nicht, wie das aus unserem Land selbst kommen kann, aber ich sehe einen Weg, wie wir zusammen mit der Europäischen Union daran arbeiten können. Das ist definitiv das Thema, das mit so vielen anderen Problemen verbunden ist, dass ich damit anfangen würde: Empfehlungssysteme und ihre Logiken zu verbessern.
„Es hat sich nichts geändert“netzpolitik.org: Der Regierungswechsel Ende vergangenen Jahres hat nichts verändert?
Katarzyna Szymielewicz: Absolut nichts. Die neue Regierung spielt mit der Polarisierung, sie hat alles so gemacht, was die vorherige Regierung als effizient bewiesen hat. Wir haben immer noch Politiker, die keine Probleme lösen, weil sie das weniger sichtbar machen würde.
Ein sehr gutes Beispiel dafür ist die Lage an der Grenze. Das war eines der ersten Dinge, wo die Leute Veränderung erwartet haben – das zweite war Abtreibungen, das dritte vielleicht LGBTQ-Rechte.
Es hat sich nichts geändert, rein gar nichts. Das heißt nicht, dass die Themen nicht existieren. Die Regierung fühlt nur keinen Druck, ihre Politik zu ändern. Wir haben anscheinend dieses Stadium von post-demokratischem Verfall erreicht, in dem man keine Politik mehr ändern muss, nur noch Narrative. Dinge ändern ist gefährlich, in sozialen Medien oder im Fernsehen über Dinge reden nicht. Also nein, keine guten Neuigkeiten.
netzpolitik.org: Die Lage an der Grenze ist wahrscheinlich auch ein eigenes Digitalthema, oder?
Katarzyna Szymielewicz: Das kann sie sein, ja. Wir sind gerade dabei, Beispiele von KI-gestützten Überwachungssystemen und Überwachungssystemen allgemein bei der polnischen Verwaltung zu sammeln. Wir hoffen, dass es mit der KI-Verordnung öffentliche Datenbanken geben wird, die zeigen, welche KI-Überwachungssysteme in einem Land wie Polen im Betrieb sind. Mit all den Ausnahmen, die Rat und Parlament am Ende des Trilogs noch in die KI-Verordnung gepackt haben, sind wir uns übrigens weniger sicher, dass das passieren wird.
Wir versuchen mehr über diese Systeme zu erfahren, aber es ist unglaublich schwer. Es gibt keinen Weg, wie wir an Informationen kommen können. Wir wissen, was wir sehen können – es gibt einen Zaun und der Zaun hat Kameras. Aber welche Systeme, welche Technologie dahinter steckt, wie Drohnen eingesetzt werden, welche Daten gesammelt werden, ob biometrische Daten gesammelt werden, ob Menschen auf der Flucht irgendwie profiliert werden – das wissen wir alles nicht.
Nichts Neues an der Ostgrenzenetzpolitik.org: Frontex, die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache, ist für diese Grenzen zuständig und sitzt in Polen. Sind sie in der polnischen Debatte präsent?
Katarzyna Szymielewicz: Ich sehe sie kaum je in den Medien oder bei öffentlichen Veranstaltungen. Ich glaube, sie sind sehr glücklich, in einem Land zu sitzen, in dem nichts über sie aufgedeckt wird und in dem sie nicht zu viel sagen müssen.
Es ist sogar ziemlich symbolträchtig, wo sie sitzen: in einem beliebten Bürogebäude, zusammen mit vielen Unternehmen. Das ist ein großer Turm in Warschau, den man nicht betreten kann, außer man arbeitet bei einem der großen Unternehmen oder bei Frontex selbst. Sogar davor zu protestieren, wäre absurd. Man würde vor einem großen Bürogebäude direkt neben einer vielbefahrenen Kreuzung protestieren.
Pegasus-Fall ist stark politisiertnetzpolitik.org: Was können Sie zum aktuellen Stand der Pegasus-Untersuchung in Polen sagen?
Katarzyna Szymielewicz: Das ist eine weitere sehr politisierte Diskussion. Als die aktuelle Regierung noch in der Opposition war, hat sie die Untersuchung als großes Argument gegen die vorherige Regierung genutzt, um zu zeigen, wie wenig sie die Privatsphäre respektiert. Menschenrechtsorganisationen haben auch angefangen, sich mit dem Thema zu beschäftigen, wir eingeschlossen. Mindestens ein Gerichtsfall wird gerade nach Straßburg an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gebracht.
Wir hoffen, dass wir Empfehlungen für Polen bekommen, solche Werkzeuge zu verbieten – oder dass angemessene Schutzmechanismen eingeführt werden. Wir glauben, dass solche Werkzeuge mit Schutzmechanismen legal sein können. Aber das ist eine Frage von fünf Jahren oder noch später. Das wissen wir, weil wir solche Fälle schon früher vorgebracht haben, und es hat sieben Jahre gedauert, bis unser Fall in Straßburg angehört wurde und ein Urteil bekommen hat.
Die neue Regierung hat Pegasus heftig kritisiert, sie haben es als heißen Fall gegen ihre politischen Gegner benutzt. Sie haben jetzt alle Werkzeuge, dieses Problem zu lösen. Und sieh mal einer an – sie setzen noch nicht einmal das Urteil um, das Panoptykon in Straßburg errungen hat.
netzpolitik.org: Was sollte sich in diesem Bereich verändern?
Katarzyna Szymielewicz: Wir erwarten eine umfassende Reform, wie Geheimdienste in diesem Land arbeiten. Regeln für Dinge wie Pegasus zu schaffen, ist ein Teil davon. Aber ein noch wichtigerer Teil ist es, eine unabhängige Aufsichtsbehörde zu schaffen, die Beschwerden von Bürger:innen anhören kann. Viele Länder haben schon solche Behörden.
Wir stellen uns kein parlamentarisches Gremium wie in Deutschland vor, sondern etwas, das frühere Geheimdienstbeamt:innen und Richter:innen im Ruhestand zusammenbringt. Die Behörde sollte professioneller sein. Ich glaube nicht, dass parlamentarische Gremien diese Funktion wirklich erfüllen können. Das ist mehr eine Sache für eine Behörde mit Leuten, die wissen, was sie tun, und die auf beiden Seiten Vertrauen genießen.
Wir haben diesen Vorschlag in einem Prozess entwickelt, für den der damalige Bürgerbeauftragte Adam Bodnar Gastgeber war. Er ist jetzt Justizminister. Er weiß also genau, wie dieses Problem gelöst werden sollte. Aber macht er das auch? Nein. Wieso? Das weiß ich nicht.
Ein anderes Beispiel ist das Europäische Medienfreiheitsgesetz. Das wird in Polen gerade umgesetzt. Eine Klausel in diesem Gesetz erlaubt es, Werkzeuge wie Pegasus gegen Journalist:innen einzusetzen, wenn es auf nationaler Ebene ausreichende Schutzvorkehrungen gibt. Haben wir diese Schutzverkehrungen? Nein, haben wir nicht. Wird diese Klausel trotzdem umgesetzt? Ja, wird sie.
Das war gerade alles zynisch. Ich hoffe natürlich auf eine bessere Lösung. Aber nach beinahe einem Jahr mit der neuen Regierung sehen wir nicht wirklich, dass diese Probleme gelöst werden. Ich fürchte, dass sie beiseitegeschoben werden, weil sie nicht öffentlichkeitswirksam genug für die Titelseite sind.
Menschen über EU-Gesetze informierennetzpolitik.org: Sie haben gerade die KI-Verordnung erwähnt. Ein Problem mit Spionagesoftware ist, dass die EU-Mitgliedstaaten sich immer hinter dem nebulösen Konzept der nationalen Sicherheit verstecken, wenn das Parlament versucht, ihre Überwachung zu begrenzen. Manche Leute in Brüssel wollen deshalb zumindest eine einheitliche Definition dieses Konzepts durchsetzen, damit sie sich nicht mehr ganz so viel dahinter verstecken können. Halten Sie das für eine gute Idee?
Katarzyna Szymielewicz: Ich mag es, wenn die EU versucht, Standards zu erhöhen. Gleichzeitig bin ich seit 15 Jahren in der europäischen Politik aktiv. Ich weiß, was in jedem Trilog passiert – wie der Rat immer wieder mit Ausnahmen ankommt, die immer, immer, immer mit nationaler Sicherheit zu tun haben, wie es auch jetzt wieder bei der KI-Verordnung passiert ist.
Ich bin also nicht naiv. Warum es nicht versuchen? Ja. Aber wird es funktionieren? Ohne echte Veränderungen auf nationaler Ebene, wie zum Beispiel das Schaffen einer unabhängigen Aufsichtsbehörde, die Untersuchungen durchführen kann, würden wir nie wissen, ob ein Mitgliedstaat wie Polen solche Standards auch einhält.
netzpolitik.org: Sie haben die KI-Verordnung erwähnt. Wie schaut Polen auf europäische Gesetze wie die KI-Verordnung, den Digital Services Act oder den Digital Markets Act?
Katarzyna Szymielewicz: Eins unserer Ziele als Panoptykon ist es, Desinformation über EU-Gesetze zu verhindern. So verhindern wir auch, dass Menschen von nationalen oder ausländischen Akteuren dazu verleitet werden, zu glauben, dass Regulierung sich gegen Menschen richtet. Ich glaube, dass in der EU Gesetze meistens vorgeschlagen werden, um Probleme zu lösen. Diese ganzen Digitalgesetze, die gegen Big Tech entwickelt wurden, halte ich für wirklich gut.
Aber was mit ihnen in der Praxis passieren wird, ist eine andere Geschichte. Das haben wir schon mit der Datenschutz-Grundverordnung gesehen, die im Prinzip ein sehr schlaues Gesetz ist. Und dann nahm der Markt sie als Ausrede für eine Reihe sehr irritierenden Praktiken, um Verbraucher:innen das Vertrauen in die EU und in das Gesetz auszutreiben. Ich glaube, da gab es einen sehr bewussten Plan.
Wird das mit dem Digital Services Act und der KI-Verordnung wieder passieren? Ich hoffe, es wird mehr Anleitung vom Gesetzgeber geben, um das zu verhindern. Aber es ist ein echtes Risiko. Und wenn das passiert, wenn Verbraucher:innen sich vor mehr Hürden wiederfinden, dann werden wir eine neue Frustrationswelle haben. Meine Hoffnung ist, dass wir genug Zeit und Ressourcen haben werden, um die Öffentlichkeit zu informieren und dieses Szenario zu verhindern. Das wäre für die Durchsetzung des Gesetzes sehr gefährlich.
netzpolitik.org: Sie beschäftigen sich seit 15 Jahren mit EU-Politik. Wo verorten sie sich dabei? Arbeiten Sie in Polen, arbeiten sie in der EU? In beiden?
Katarzyna Szymielewicz: Wir versuchen, beide Pferde zu reiten. Das war schon immer eine Herausforderung. Ganz am Anfang sind wir European Digital Rights beigetreten, unserem europäischen Netzwerk, und auch anderen Netzwerken. Das ist ein eigener Job und kostet eine Menge Arbeit. Es gibt Momente, in denen ich diese Wahl beinahe bereue und denke, wir sollten uns wieder auf Polen fokussieren und versuchen, lokal etwas zu bewegen. Da haben wir mehr Gewicht, sprechen die Sprache und verstehen die Medien.
Aber das wäre, wie sich selber zu blenden. Wir würden unsere Augen schließen und denken, oh, ich habe hier dieses Problem, und dabei ignorieren, dass das Problem in unserem Land durch die Praktiken globaler Unternehmen und durch Fehler der EU-Regulierung verursacht wird. Wir müssen beides machen.
Gerade ist unser Team aufgeteilt. Es gibt zwei Jurist:innen, darunter ich, die auf der EU-Ebene arbeiten, und zwei Jurist:innen auf der nationalen Ebene. Unser Schlüssel dazu, nicht völlig überfordert zu werden – denn das sind wir öfter –, ist Spezialisierung. Wir versuchen, uns unsere Kämpfe sehr taktisch auszusuchen. Es gibt also einen Kampf für die Regulierung von Geheimdiensten, einen Kampf für die Durchsetzung des Digital Services Acts – für uns fokussiert auf Empfehlungssysteme und wie sie repariert werden können – und einen zu KI, wo wir zum Beispiel die polnische Umsetzung der KI-Verordnung beobachten.
Der Überwachungskapitalismus wird bleibennetzpolitik.org: 15 Jahre sind eine lange Zeit. Hat sich die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene in dieser Zeit verbessert? Ist die europäische Gesetzgebung besser geworden? Die eigentliche Frage: Wo geht es hin mit Europa?
Katarzyna Szymielewicz: Oh Gott, ich glaube nicht, dass ich das beantworten kann. (lacht)
Aus dem Blickwinkel von Lobbyist:innen für die Zivilgesellschaft würde ich sagen: Es geht uns super. Politiker:innen haben endlich Probleme erkannt, von denen wir ihnen seit zehn Jahren erzählen. Ich mag viele Teile von Ursula von der Leyens Entsendungsschreiben an ihre neuen Kommissar:innen. Ich mag die Idee eines Digital Fairness Acts. Ich mag viele Teile des Digital Services Acts sehr. In meiner Arbeitsrolle würde ich sagen, dass es uns sehr gut geht.
Aber als Bürgerin, als Mutter, als Mensch glaube ich, dass das alles den Bach runtergehen wird. Der Überwachungskapitalismus wird bleiben. Wir basteln an Stücken und Teilchen davon herum, aber die ganze Maschinerie hinter der Logik des Überwachungskapitalismus bleibt bestehen, in der Menschen in den letzten Jahren zu digitaler Biomasse statt zu denkenden Individuen geworden sind. Für mich fühlt es sich auch mit dem ganzen Fortschritt so an, als ob die Titanic am Untergehen ist. Wir müssen wahrscheinlich akzeptieren, dass die tiefe Krisis noch vor uns liegt.
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We talk with Katarzyna Szymielewicz, president of the Polish NGO Panoptykon Foundation. How has the situation for digital rights changed since Donald Tusk took over the country’s government? What’s happening at the country’s Eastern border? What’s the state of the investigation into Pegasus? And are we all sitting in a sinking ship?
Katarzyna Szymielewicz studied Law and Developmental Studies. – CC-BY-SA 4.0 Wikimedia CommonsThe Panoptykon Foundation is a Polish NGO fighting against surveillance and for digital rights. One of its co-founders, way back in 2009, was Katarzyna Szymielewicz. Szymielewicz is still president of the foundation and leads its European advocacy work. We spoke to her at the margins of the Tech and Society Summit, where Europe’s civil society came together to discuss digital policy without big tech.
netzpolitik.org: What’s the biggest digital topic in Poland right now?
Katarzyna Szymielewicz: For us at Panoptykon, there is not really Poland and everything else – we think globally about digital problems because they operate across borders.
A key challenge remains how to reclaim the digital space, specifically social platforms. What we experience in Poland, and I believe in many other places, is the polarisation of the debate.
The recent change in government in Poland was a big shift in politics, but it did not influence this problem in a positive way. Society is deeply divided. I link that to how social media functions, how they make money, what advertisers expect. Right now, we have a closed ecosystem in which everybody plays the same game, apart from social media platforms, which are like a casino that always makes a profit on us losing.
If you asked politicians in Poland, I’m sure they would give you a different story. But I’m confident that if we fixed what is promoted in social media, that could be a massive change. I don’t see that coming from within the country, but I see a way in which we could work on it with the European Union. That’s definitely the issue that implicates so many other problems that I would start with this one, fixing recommender systems and their logic.
“No change”netzpolitik.org: And the change of government at the end of last year changed nothing?
Katarzyna Szymielewicz: Absolutely not. The new government played on polarisation, they played everything that the previous government taught them is efficient. We still have politicians who are not solving problems because solving problems would bring them much less visibility.
A great example of that is the situation on the border. That was one of the very first things people expected to change – the second one being abortion, third maybe LBGTQ rights.
No change has happened, absolutely none. It doesn’t mean the topics don’t exist. The government simply doesn’t feel pressured to change its policy, because apparently we entered that state of post-democratic degradation in which you don’t have to change policies, you change narratives. Changing things is risky, discussing things on social media or on TV is not. So yeah, no good news.
netzpolitik.org: I imagine the management of the border is also a digital topic by itself?
Katarzyna Szymielewicz: It can be, yes. We are in the process of collecting examples of AI assisted surveillance systems and surveillance systems in general from the Polish administration. We hope that with the AI Act in place there will be public databases showing what AI surveillance systems are used in countries like Poland. As a sidenote, with all the exemptions the Council and the Parliament put in the AI Act towards the end of the trilogue, we are less sure of this happening.
We are trying to research these systems, but it’s incredibly difficult. There is no way we can get access to information. We know what we can see – there is a fence and that fence has cameras. But what systems, what real technology is behind that, how drones are used, how data is collected, whether biometric data is collected, whether there is any profiling people on the move – these things we don’t know.
netzpolitik.org: Frontex, the EU’s Border and Coast Guard agency responsible for managing these borders, sits in Poland. Are they present in the Polish debate?
Katarzyna Szymielewicz: I hardly ever see them in the media or in public events. I think they are very happy to be in a country where they are not exposed and they don’t have to say too much.
It’s even quite symbolic where they are located: Inside of a popular office building, together with many corporations. It’s a big tower in Warsaw where you can’t enter unless you are employed by one of the big companies or Frontex itself. Even protesting in front of it would be absurd because you end up protesting in front of a big office building next to a very busy roundabout.
The Pegasus investigationnetzpolitik.org: I want to ask you about the Pegasus investigation in Poland. Could you speak about its current state?
Katarzyna Szymielewicz: It’s another debate that’s deeply politicized. When the current government was in the opposition, they used it as a major argument against the previous government, to show how disrespectful they are of privacy. Human rights organisations also became active on the topic, including us. There is at least one case being brought to Strasbourg to the European Court of Human Rights.
We hope to get recommendations for Poland to make tools like this illegal – or for appropriate safeguards to be introduced. We think they can be legal, with appropriate safeguards. But a case in Strasbourg is a matter of five years or longer in the future. We know, because we’ve brought cases like this one before, and it took seven years for our case in Strasbourg to get heard and get a ruling.
We’ve seen the new government heavily criticise Pegasus, they used it as a hot case against their political opponents. Today, they have all the tools to solve this problem. And guess what? They’re not even implementing the ruling Panoptykon got in Strasbourg.
netzpolitik.org: What are your ideas for reforms in this area? What should be changed?
Katarzyna Szymielewicz: We expect a deep reform of how secret services operate in the country. Creating rules for things like Pegasus is one element of it. But an even more important element is to create an independent oversight body that would hear complaints from citizens. Many countries have bodies like this.
We aren’t thinking about a parliamentary body like in Germany, but something composed out of former secret service officials or retired judges. It should be more professional, I don’t think parliamentary bodies can really fulfil this function. It should investigate cases, hear complaints from citizens, perform real oversight. That’s more of a job for an office, composed out of people who know what they are doing and have some trust on both sides.
Our process for developing this proposal was hosted by the then-Ombudsman, Adam Bodnar. He is right now minister of justice. So he knows exactly how this problem should be resolved. Is he doing it? No. Why? I don’t know.
Another example is the European Media Freedom Act. It’s being implemented in Poland these days. One clause in that law allows for the use of tools like Pegasus against journalists if there are safeguards on the national level. Do you think we have safeguards? No, we don’t. Do you think is clause is implemented? Yes, it is.
I’m being cynical right now. I hope, of course, for a better solution. But after almost one year with the new government, we don’t really see how these problems are being resolved. I fear they are being pushed away as not popular enough to be on the front page.
netzpolitik.org: You mention the European level. One problem for spyware is that the EU member states keeping hiding behind the nebulous concept of national security whenever the Parliament tries to restrict their surveillance. Some people in Brussels were pushing to have at least a European definition of that concept, so they couldn’t hide behind it quite as much anymore. Do you think that would be a good idea?
Katarzyna Szymielewicz: I like when the EU tries to increase standards. At the same time, I’ve been in European politics for 15 years. I know what happens in every trilogue, how the Council comes in with exemptions that are always, always, always about national security, like it happened with the AI Act.
So I’m not naïve. Why not try? Yes. But will it work? Without real changes on the national level, like creating this independent oversight body that could investigate, we would never know whether a member state like Poland is observing these standards.
Need to inform people about EU lawsnetzpolitik.org: You mention the AI Act. How is EU legislation like the AI Act, the Digital Services Act or the Digital Markets Act, being perceived in Poland?
Katarzyna Szymielewicz: One of our objectives as Panoptykon is to prevent disinformation on EU regulations, to prevent people from being manipulated by national or foreign actors to believe that regulations are against people. I think that in the EU, regulation is usually proposed to solve problems. I think all these digital regulations that were developed to target big tech are all really good.
But how they will play out in practice is another story. We have seen this with the General Data Protection Regulation, which in principle is a very clever law. And the market took it as a great excuse to do a bunch of irritating practices to make consumers lose belief in the EU and hate the regulation. I believe that was a very conscious policy.
Will that happen again with the Digital Services Act and the AI Act? I hope there will be much more guidance from the regulator to prevent that. But it is a real risk. And if it happens, if consumers start spotting more barriers, we might have another wave of frustration. And my hope is: We will have enough time and resources to educate the public to prevent this scenario, because it would be extremely dangerous for enforcing the law.
netzpolitik.org: You have been in European politics for 15 years. Where do you position yourself? Do you work in Poland, do you work in the EU? Both?
Katarzyna Szymielewicz: We try to ride both horses. It has always been challenging. In our early days, we joined European Digital Rights, our European network, and then started joining other networks, which is a job on its own and takes a lot of our capacity. There are moments where I almost regret that choice and think we should refocus on Poland and try to do something local, where we have more leverage, speak the language and understand the media.
But it would be blinding ourselves, like closing your eyes and thinking, oh, I have this problem here, and ignoring that the problem you have in your country is rooted in the practices of global companies and in mistakes in regulating on the EU level. We have to do both.
Right now, our team is divided. There are two lawyers, including me, working on the EU level and two lawyers more on the national level. Our key to not be completely overwhelmed – because we frequently are – is to specialise. We try to be really tactical about choosing battles. So there is one battle for secret service regulation, one battle for DSA enforcement – which for us is focused on recommender systems and how they can be fixed – and one more related to AI, which for example is us watching the Polish implementation of the AI Act.
Where are things going in Europe?netzpolitik.org: 15 years are quite a long time. Has cooperation on the European level gotten better in that time? Has European legislation gotten better or worse? Basically, where are things going in Europe?
Katarzyna Szymielewicz: Oh my God, I don’t think I can take this one. (laughs)
As lobbyists working for civil society, I can say we are doing great. Policymakers finally spotted problems that we’ve been signalling to them for ten years. I like many elements of Ursula von der Leyen’s mission letters to her new commissioners. I like the idea of having a Digital Fairness Act. I really like many elements of the Digital Services Act. In my professional capacity I would tell you that we are doing great.
As a citizen, as a mother, as a human being, I think it’s all just going to crash. Surveillance capitalism is here to stay. We’re fixing bits and pieces of it, but the whole machinery which controls the logic of surveillance capitalism prevails in politics, in media – also in humans that in recent years became digital biomass and not thinking individuals. To me, it feels like even with all the progress we have made, the Titanic is going down, and we probably have to accept that the deep crisis is still in front of us.
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Die Chatkontrolle-Achterbahn fährt in die nächste Schleife: Weil mehrere Länder weiterhin eine Sperrminorität bilden, wird das Thema beim EU-Ministertreffen am Donnerstag nur am Rande behandelt. Über den Verordnungstext, der eine gefährliche Massenüberwachung bringen würde, besteht weiter keine Einigkeit.
Beim Hin und Her um die Chatkontrolle im EU-Rat kann einem schon mal schwindlig werden. (Symbolbild) – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / NurPhotoDie EU-Mitgliedstaaten konnten sich erneut nicht auf einen gemeinsamen Entwurf zur Chatkontrolle einigen. Entgegen vorheriger Planungen ist das Thema nun auch von der Tagesordnung der Sitzung der Justiz- und Innenminister:innen am Donnerstag geflogen. Auf der Tagesordnung steht nun nur noch ein „Fortschrittsbericht“. Das bestätigte auch ein Sprecher des EU-Rats gegenüber netzpolitik.org.
Schon in der letzten Woche war die Chatkontrolle bei der Sitzung der Ständigen Vertreter im EU-Rat von der Agenda genommen worden, nachdem die Niederlande angekündigt hatten, sich zu enthalten.
Dadurch steht eine hauchdünne Sperrminorität im Rat gegen die Chatkontrolle. Sie wird gebildet von Österreich, Belgien, Tschechien, Deutschland, Polen und den Niederlanden. Diese Länder repräsentieren mehr als 35 Prozent aller EU-Einwohner:innen. Stimmen sie dem Verordnungstext nicht zu, kann dieser nicht angenommen werden. Die Verhandlungen um den Text gehen deshalb weiter, bis weitere Länder zustimmen.
Kein echter KompromissvorschlagVerhandelt wird derzeit der Verordnungstext vom 24. September (PDF), den das Medium „Contexte“ zuerst veröffentlicht hatte. Obwohl Ungarn den Text schon verändert hatte, bleiben die Grundprobleme der Chatkontrolle auch bei diesem Vorschlag bestehen: anlasslose Massenüberwachung, falsche Verdächtigungen, das Ende von zuverlässiger Verschlüsselung und Probleme mit der IT-Sicherheit.
Elina Eickstädt, Sprecherin des Chaos Computer Clubs, kommentiert: „Ungarn scheint weiter auf Zeit zu spielen, um Druck auf die Mitgliedstaaten auszuüben.“ Es sei jetzt wichtig, dass die Mitgliedstaaten, die sich bisher gegen die Chatkontrolle ausgesprochen haben, bei ihrer Position bleiben, so Eickstädt weiter. „Wir sollten nicht vergessen, dass Ungarn noch bis Mitte Dezember Zeit hat, um eine Ratsposition zu verabschieden. Wir dürfen uns nicht von dem ständigen Hin und Her abschrecken lassen, sondern müssen weiterhin wachsam bleiben.“
Was ist die Chatkontrolle?Die EU-Kommission will mit der sogenannten CSA-Verordnung gegen sexualisierte Gewalt gegen Kinder vorgehen. Sie möchte dafür Internetdienste per Anordnung verpflichten, die Inhalte ihrer Nutzer:innen automatisiert auf Straftaten zu durchsuchen und bei Verdacht an Behörden zu melden. Das EU-Parlament bezeichnet das seit fast einem Jahr als Massenüberwachung und fordert, nur unverschlüsselte Inhalte von Verdächtigen zu scannen.
Die EU-Staaten können sich bisher nicht auf eine gemeinsame Position einigen. Mehrere Ratspräsidentschaften sind daran gescheitert, eine Einigung zu erzielen.
Jetzt versucht es Ungarn, das im zweiten Halbjahr 2024 die Ratspräsidentschaft innehat. Zuletzt hatte es vorgeschlagen, dass Dienste-Anbieter zunächst nur nach bekannten Straftaten suchen müssen – also nach Bildern und Videos, die bereits aufgefallen sind. Neues Material und Grooming sollen erst später verpflichtend werden, wenn die Technik gut genug ist.
Die Grundprobleme der Chatkontrolle bleiben bei dem Vorschlag der Ungarn bestehen: anlasslose Massenüberwachung, falsche Verdächtigungen, das Ende von zuverlässiger Verschlüsselung und Probleme mit der IT-Sicherheit.
Immer mehr scharfe KritikDas Vorhaben der EU-Kommission steht deswegen weithin in der Kritik – nicht nur von Digital- und Grundrechteorganisationen. Jüngst hatten mehr als 300 Wissenschaftler:innen aus der ganzen Welt vor der Verordnung gewarnt– auch in der ungarischen Version.
Scharfe Kritik übt auch die Gesellschaft für Informatik (GI): Der GI-Arbeitskreis Datenschutz und IT-Sicherheit warnt vor dem neuen Anlauf der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft. Zudem hat sich auch die internationale Dachorganisation der Informatik-Gesellschaften Council of European Informatics Societies (CEPIS) explizit dem offenen Brief gegen die geplante Verordnung angeschlossen.
Kürzlich hat sich auch das Forschungszentrum Informatik (FZI), eine Gründung des baden-württembergischen Wirtschaftsministeriums und der Uni Karlsruhe, in einem Positionspapier gegen die Chatkontrolle (PDF) gestellt.
Als ein weiterer erklärter Gegner der Chatkontrolle hat sich auch der niederländische Geheimdienst AIVD bekannt: Die geplanten Anordnungen für Anbieter von Ende-zu-Ende-verschlüsselter Kommunikation seien ein zu großes Sicherheitsrisiko.
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Streit, verfehlte Zeitpläne, Gerichtsverfahren: Bei der Einführung von Bezahlkarten für Asylsuchende reihen sich seit einem Jahr unterschiedliche Probleme aneinander. Ein Ende ist nicht absehbar.
Eine einheitliche Lösung ist noch lange nicht in Sicht. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / YAY ImagesVor einem Jahr hatten die Ministerpräsident:innen der Länder beschlossen, Bezahlkarten für Asylsuchende einzuführen. Seitdem gab es eine gemeinsame Ausschreibung von 14 Bundesländern und jeweils eine eigene von Bayern und Mecklenburg-Vorpommern. Und vor allem: Klagen, Verzögerungen, Diskussionen und Streit auf vielen Ebenen.
Diese Problem-Meldungen wurden nun unterbrochen von der Botschaft: Bald wird es losgehen, die bundesweite Vergabe ist geschafft. Doch ein Ende der Querelen ist damit nicht in Sicht. Eine Übersicht, was bisher passiert ist.
Startschuss im Oktober 2023Auf der Ministerpräsidentenkonferenz im Oktober 2023 einigten sich die Regierungschef:innen darauf, Bezahlkarten einführen zu wollen. Im November vereinbarten sie, dafür bundesweite Standards zu erarbeiten. Die wurden durch eine Arbeitsgruppe bis Ende Januar 2024 erstellt und waren die Basis für eine bundesweite Ausschreibung, die im Februar startete.
Währenddessen hatten bereits einige Landkreise und Städte eigenständig Bezahlkarten eingeführt. Als Beispiele tauchen hier immer wieder Hannover und Greiz auf. Während die niedersächsische Landeshauptstadt dabei eine weitgehend einschränkungslose Variante wählte, setzte das thüringische Greiz auf maximale Kontrolle über die Leistungsbezieher:innen.
Doch während mancherorts schon Bezahlkarten im Einsatz waren, stritten die Ampelparteien im Bund über notwendige Änderungen im Asylbewerberleistungsgesetz. Dort schrieben sie die Bezahlkarte neben Geld- und Sachleistungen als Möglichkeit fest, den Bedarf Asylsuchender zu decken. Im Gesetz steht aber auch: Wenn Bedarfe nicht durch Bezahlkarten gedeckt werden können, müssen sie als Geldleistungen ausgezahlt werden. Im April einigten sich die Parteien und der Entwurf ging durch Bundestag und Bundesrat.
Diskussionen übers Bargeld-LimitDie Ministerpräsident:innen diskutierten derweil, wie viel Bargeld Asylsuchende mit den Karten noch abheben dürfen. 50 Euro pro volljähriger Person sollen es sein, beschloss die Konferenz der Länderchef:innen im Juni. Einstimmig war dieser Beschluss jedoch nicht: So gaben Thüringen, Bremen und Rheinland-Pfalz zu Protokoll, dass sie das starre Limit nicht für die beste Lösung halten.
Wie viel Geld Menschen mit den Bezahlkarten abheben können, ist nicht die einzige Beschränkung, die Verantwortlichen vorschwebt. Die ausgebenden Behörden können mit den Karten auch die räumliche Nutzbarkeit begrenzen, etwa auf den Wohnsitzlandkreis. In der Regel sind auch Überweisungen und Online-Käufe mit den Karten verboten und müssen einzeln von den Ämtern freigeschaltet werden.
Menschenrechtsverbände wie Pro Asyl kritisierten diese Beschränkungen von Beginn an als Einschränkung der Menschenwürde und Diskriminierung. Es gibt keine festen Belege dafür, dass die Gängelungen bei Sozialleistungen Flüchtende davon abhalten, nach Deutschland zu kommen. Doch das ist das immer wieder proklamierte Ziel von verantwortlichen Politiker:innen, die damit einen Law-and-Order-Kurs in der Asylpolitik bedienen.
Klagen vor SozialgerichtenStattdessen gefährden die eingeschränkten Karten das Existenzminimum für viele, die nun nicht mehr uneingeschränkt beispielsweise günstige Einkaufsmöglichkeiten auf Flohmärkten oder Kleinanzeigen-Portalen wahrnehmen können. Sie erschweren damit ebenso die Integration, wenn etwa eine Mitgliedschaft im Fußballverein an der Überweisung des monatlichen Beitrags zu scheitern droht.
Daher klagten mehrere Betroffene gemeinsam mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte und Pro Asyl vor mehreren Sozialgerichten in Deutschland. Die Entscheidungen in den Hauptverfahren stehen noch an, doch mehrere Eilverfahren waren erfolgreich: Die pauschalen Limits ließen sich im Fall der Kläger:innen nicht rechtfertigen und müssen auf individueller Basis beurteilt werden.
Das ist leicht nachvollziehbar: Eine Familie, die ein weiteres Kind erwartet, hat offenkundig einen anderen Bargeldbedarf als eine alleinstehende Person ohne besondere Herausforderungen. Wenn nun aber bei jeder Bezahlkarte das Bargeld-Limit per Einzelfallprüfung bestimmt werden muss, fällt eines der Argumente für die Karten – eine Entlastung der zuständigen Ämter – vollständig weg.
Die Ausschreibung stocktUngeachtet der politischen Diskussion und der Gerichtsurteile lief die Ausschreibung weiter. Der Zuschlag sollte ursprünglich im Juli erteilt werden, doch es kam zu Nachprüfungsverfahren. Unterlegene Bieter hatten Einspruch eingelegt. Das wies die zuständige Vergabekammer in Karlsruhe im August zwar zurück, doch der Prozess eskalierte daraufhin zum baden-württembergischen Oberlandesgericht.
Die dort anhängige Beschwerde wird nun am 18. Oktober verhandelt, aber in der Zwischenzeit konnte dennoch der Zuschlag erteilt werden. Das liegt daran, dass die aufschiebende Wirkung der Beschwerde endete und das Gericht einen entsprechenden Verlängerungsantrag ablehnte. Damit steht fest: Die Unternehmen rund um die „SocialCard“ bekommen den Auftrag.
Für die Beschwerdeführer der unterlegenen Firma PayCenter geht es also bei dem Verfahren lediglich noch um Schadensersatz – falls sie Erfolg haben sollten. Ist das Karten-Chaos damit beendet?
Der Vergabe-Streit geht weiterDas ist nicht abzusehen. In seiner Pressemitteilung zur Vergabe wies PayCenter auf ein weiteres mögliches Problem hin und nannte den bundesweiten Rahmenvertrag einen „Bärendienst für die Kommunen“. Denn die sind für die Einführung zuständig. Sie dürften jedoch, so die Auffassung des Unternehmens, die Leistung gar nicht abrufen.
In der Auftragsbekanntmachung stünden vor allem die 14 Bundesländer, die sich zusammengetan haben. Doch da in der Regel die Kommunen die Karten einführen, müssten diese explizit benannt sein. Sind sie aber nicht, so PayCenter. Es ist also möglich, dass weitere Klagen drohen, um eine entsprechende Vergabe an einführungswillige Kommunen zu verhindern.
Doch wie sehen die Städte und Kreise die Vergabe nun überhaupt? Wir haben bei mehreren Kommunen nachgefragt, die bereits vor der Entscheidung für die SocialCard Bezahlkarten anderer Anbieter eingeführt hatten, und wollten wissen, ob sie nun auf eine möglicherweise einheitliche Lösung umsteigen werden.
Kein Umstiegswille von KommunenEine Absage dafür kam aus dem brandenburgischen Landkreis Märkisch-Oderland. Dort funktioniere alles mit dem bisherigen System, sagte der stellvertretende Landrat Friedemann Hanke gegenüber netzpolitik.org. Außerdem habe man sich bei der eigenen Beschaffung sowieso an den bundesweiten Standards orientiert. Einen Anlass, etwas zu ändern, sehe er daher nicht.
In Gera antwortete die Stadtverwaltung schriftlich ebenfalls, dass für die Stadt keine Notwendigkeit bestehe, den Dienstleister für Bezahlkarten zu wechseln. „Sollte es eine verbindliche, rechtskräftige Anweisung von Bund oder Land geben, besteht für uns jederzeit die Möglichkeit, den bestehenden Vertrag kurzfristig zu kündigen“, so eine Sprecherin. Abwarten will man auch in Bautzen. Derzeit sei nur der Name des neuen Anbieters bekannt und man könne daher noch nichts dazu sagen.
Eine Arbeitsgruppe der Länder will sich am 11. Oktober treffen, um die Einführung weiter zu besprechen. Doch bei den Kommunen, die noch keine eigenen Lösungen umgesetzt hatten, ist eine einheitliche Lösung nicht zu erwarten. Es ist zum einen unwahrscheinlich, dass überhaupt alle auf Bezahlkarten umsteigen wollen.
Unsicherheit und AufwandNach den öffentlichen Diskussionen und ersten Sozialgerichtsentscheidungen wankt außerdem die Bargeldgrenze, verbunden mit dem drohenden Verwaltungsaufwand individueller Entscheidungen. So will nun etwa die brandenburgische Landeshauptstadt Potsdam nach anfänglichen Zweifeln zwar doch die Bezahlkarten nutzen, jedoch vermutlich mehr Bargeld zur Verfügung stellen – auch als Reaktion auf die bisherigen Gerichtsentscheidungen. In einem Beschlussvorschlag dazu heißt es jedoch noch: „Die Rechtsentwicklung inklusive der daraus resultierenden Rechtsbindung der Kommunen bleibt abzuwarten.“
Auch wenn nun also ein gewünschter Anbieter für 14 deutsche Bundesländer feststeht: Ein Ende der gesellschaftlichen, politischen und juristischen Kämpfe um die Bezahlkarten ist damit noch lange nicht in Sicht.
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Die Ampel-Regierung hatte sich vorgenommen, die umstrittene Datensammlung über Fußball-Fans zu reformieren, doch verschob das Vorhaben wegen der EM. Nun zeigt ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Wie bisher darf es nicht weitergehen.
Polizei im Stadion – ein vertrauter Anblick. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Sportfoto RudelDer 1. Oktober war ein guter Tag für organisierte Fußballfans – zumindest, wenn man ihren Anwält:innen glauben darf. Den Grund zum Jubeln lieferten diesmal nicht elf Spieler:innen in einem Stadion, sondern acht Richter:innen in Karlsruhe. Denn diese erklärten das Bundeskriminalamts-Gesetz für teilweise verfassungswidrig.
Mit dem Bundeskriminalamt kommen Fußballfans zwar selten in Kontakt, doch im BKA-Gesetz ist auch geregelt, wie Polizeibehörden aus Bund und Ländern Daten über das Fahndungssystem INPOL teilen. Als polizeiliches Verbundsystem enthält INPOL auch die umstrittene Datei „Gewalttäter Sport“ (GTS), in der mindestens eine:r der Beschwerdeführer:innen gespeichert war.
Mit seinem Urteil hat das Bundesverfassungsgericht nun die Speicherpraxis für INPOL beanstandet. Es fehle „an einer angemessenen Speicherschwelle und ausreichenden Vorgaben zur Speicherdauer“, schreibt das Gericht in seiner Pressemitteilung zur Entscheidung.
Fanhilfen fordern AbschaffungStephanie Dilba, eine der fünf Kläger:innen, sagt: „Fußballfans wie ich werden nach diesem wichtigen Urteil hoffentlich nicht mehr so leicht in einer Polizeidatenbank landen.“ Dass ihre Daten dort gespeichert waren, habe sie belastet und stigmatisiert. „Bei jeder Polizeikontrolle hatte ich Herzklopfen“, schildert Dilba.
Das Urteil stärkt die Kritiker:innen der GTS-Datei, wie etwa die Fanhilfen. Fanhilfen sind juristische Beratungsstellen für organisierte Fans. Sie setzen sich seit Jahren für eine Abschaffung der Datensammlung ein. Eine Forderung, die Linda Röttig, Vorständin des Dachverbands der Fanhilfen, angesichts des Urteils wiederholt: „Diese umfangreiche Datensammlung ist nicht datenschutzkonform, mit dem heutigen Urteil erwiesen rechtswidrig und dringt tief in die Privatsphäre von Fußballfans ein.“
Keine Speicherung ohne NegativprognoseBijan Moini, Legal Director bei der GFF, präzisiert: Es sei nicht die gesamte Datei verfassungswidrig, sondern eine der Normen, auf deren Grundlage die Datei befüllt wurde. „Bislang wurden viele angebliche Gewalttäter in der Datei ‚Gewalttäter Sport‘ gespeichert, die einer Straftat lediglich beschuldigt, aber deswegen nie verurteilt wurden. Die Rechtsgrundlage dafür ist nun verfassungswidrig“, sagt Moini, der als einer von zwei Bevollmächtigten die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht vertreten hatte.
Moini verweist auch auf sofortige Konsequenzen für die Polizei. Zwar hat der Gesetzgeber Zeit bis Juli 2025, das Gesetz zu überarbeiten, allerdings gelten direkt einige Maßgaben des Gerichts. „Ab sofort kann die Polizei Beschuldigte nicht mehr einfach so speichern. Sie muss zusätzlich eine Negativ-Prognose erstellen, also begründen, warum von der zu speichernden Person auch zukünftig eine Gefahr ausgeht“, erklärt Moini.
Warum ist die GTS-Datei so umstritten?Die Datei „Gewalttäter Sport“ gibt es seit 1994, seit 2006 sind alle Polizeien der Länder und die Bundespolizei dabei. Die Datei wird von der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) in Nordrhein-Westfalen verwaltet. Entgegen ihres Names sind in der Datei nicht nur verurteilte Gewalttäter:innen gespeichert. Es reichte (bisher) bereits ein Ermittlungsverfahren – selbst wenn gar nicht wegen Körperverletzung, sondern wegen Beleidigung oder Landfriedensbruch ermittelt wird.
Wie schnell man in der Datei landen kann, zeigt der Fall eines weiteren Klägers in Karlsruhe. Der betroffene Werder-Bremen-Fan ist laut der lokalen Fanhilfe 2010 als Tatverdächtiger einer Sachbeschädigung in der Datei „Gewalttäter Sport“ gelandet.
Zuvor soll jemand aus einem Werder-Fanbus mit einem Edding ein Graffiti hinterlassen haben, schildert die Grün-Weiße-Hilfe den Fall:
Die niedersächsische Polizei stoppte die Busse, nahm die Personalien aller mitfahrenden Werder-Fans auf und speicherte sie als Gewalttäter in der BKA-Datei ab. Für den Beschwerdeführer hatte dies zur Konsequenz, dass ihm einige Monate später auf dem Weg zum Champions-League-Spiel in Enschede von der Bundespolizei die Ausreise untersagt wurde.
Laut Grün-Weißer-Hilfe kippte das Verwaltungsgericht Köln das Ausreiseverbot zwei Jahre später.
Zu den eingetragenen Menschen speichert die Polizei teils viele persönliche Daten, etwa die Schuhgröße, Tattoos oder den Dialekt, wie der WDR 2021 berichtete. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der eingetragenen Menschen in der GTS-Datei allerdings gesunken. Während zu Höchstzeiten über 13.000 Menschen dort gespeichert waren, waren es Ende 2023 noch etwas mehr als 5.600.
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„Größe der Datei „Gewalttäter Sport““ direkt öffnen var _oembed_d2d9008d6d599cfa01d15be0b732406d = '{\"embed\":\"<iframe title="Größe der Datei "Gewalttäter Sport"" aria-label="Interactive line chart" id="datawrapper-chart-LXpNW" src="https:\\/\\/datawrapper.dwcdn.net\\/LXpNW\\/1\\/" scrolling="no" frameborder="0" style="width: 0; min-width: 100% !important; border: none;" height="400" data-external="1"><\\/iframe><script type="text\\/javascript">!function(){"use strict";window.addEventListener("message",(function(a){if(void 0!==a.data["datawrapper-height"]){var e=document.querySelectorAll("iframe");for(var t in a.data["datawrapper-height"])for(var r=0;r<e.length;r++)if(e[r].contentWindow===a.source){var i=a.data["datawrapper-height"][t]+"px";e[r].style.height=i}}}))}();<\\/script>\"}'; Was sind die politischen Konsequenzen?Eigentlich hatte die Ampel in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, die GTS-Datei „im Hinblick auf Rechtsstaatlichkeit, Löschfristen, Transparenz und Datenschutz“ zu reformieren. Das Bundesinnenministerium (BMI) verschob die Reform aber auf die Zeit nach der EM, die im Sommer in Deutschland stattfand.
Während des Fußballturniers wurden 693 Menschen aus dem Ausland neu in der GTS-Datei gespeichert. Zudem wurde die GTS-Datei bei den Grenzkontrollen genutzt. Bei mehr als 1,6 Millionen Kontrollierten lagen für 87 Menschen Einträge in der GTS-Datei vor. Das ergab eine Kleine Anfrage des Abgeordneten André Hahn (Die Linke) im Bundestag.
Wann kommt nun die Reform? Auf diese Frage von netzpolitik.org weicht ein Sprecher des BMI aus. Die Thematik würde innerhalb der Gremienstruktur der Innenministerkonferenz besprochen. „Ziel ist es, auch mit den Erkenntnissen aus der Europameisterschaft 2024 weitere Schritte zu unternehmen, um die Datei Gewalttäter Sport zu evaluieren und fortzuentwickeln.“ Diese Evaluation würde aber noch andauern.
Zu den Auswirkungen des Urteils auf die Reform schreibt der BMI-Sprecher: „Die Auswertung ist noch nicht abgeschlossen. Wir können uns deshalb noch nicht näher äußern.“
Bayern wartet auf die Bewertung des BMIAuch aus den Landesregierungen kommen abwartende Reaktionen. Das Innenministerium NRW, durch seine ZIS für die Pflege der Datei verantwortlich, lies eine Anfrage unbeantwortet. Das bayerische Innenministerium, das aktuell auch turnusmäßig den Vorsitz der Sportministerkonferenz hat, schreibt auf Anfrage von netzpolitik.org, dass das BKA-Gesetz in die Zuständigkeit des BMI falle. „Schon aufgrund dieser Tatsache können und werden wir der dortigen Bewertung der Entscheidung nicht vorgreifen.“
Im September hatte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) noch ein härteres Vorgehen gegen Fußballfans gefordert. Herrmann brachte unter anderem einen Zwang zu personalisierten Tickets ins Spiel, ebenso wie Punkt-Abzüge und den Ausschluss von Zuschauer:innen als Strafe für Pyrotechnik-Einsätze.
Wie sie mit dem Urteil umgehen, könnten die Sport- und Innenminister:innen zeitnah diskutieren. Am 18. Oktober findet ein Treffen zum Thema „Gewalt im Fußball“ statt, mit dabei sind auch Verantwortliche von DFL und DFB. Am 7. und 8. November tagen zudem die Sportminister:innen. Laut bayerischem Innenministerium steht die Tagesordnung für beide Veranstaltungen noch nicht fest.
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Die 40. Kalenderwoche geht zu Ende. Wir haben 14 neue Texte mit insgesamt 82.513 Zeichen veröffentlicht. Willkommen zum netzpolitischen Wochenrückblick.
– Fraktal, generiert mit MandelBrowser von Tomasz ŚmigielskiLiebe Leser:innen,
das wohl bedeutendste Ereignis diese Woche war das Bundesverfassungsgerichtsurteil zum BKA-Gesetz. Wenig überraschend heißt es mal wieder: Teile davon sind verfassungswidrig und müssen nachgebessert werden. Unter anderem geht es darum, dass Leute zu leicht in Polizeidatenbanken landen.
Klar, ein solches Urteil ist ein Erfolg für Grund- und Freiheitsrechte. Aber auf der anderen Seite frage ich mich jedes Mal, ob wir uns zu sehr daran gewöhnt haben, dass Karlsruhe es schon richten wird. Vorratsdatenspeicherungen, BND-Gesetze, Polizei- und Verfassungsschutzgesetze verschiedener Couleur fallen immer wieder vor den Karlsruher Richter:innen durch. Dann werden sie „nachgebessert“ und landen einige Jahre später wieder vor Gericht. Das Spiel wiederholt sich.
„Es hilft niemandem, wenn Sie heute ein Gesetz machen, was morgen in Karlsruhe kassiert wird“, hatte die neue Bundesdatenschutzbeauftragte Louisa Specht-Riemenschneider zum geplanten sogenannten Sicherheitspaket der Bundesregierung gesagt. Die will jetzt immerhin nochmal nachbessern und auch das aktuelle Urteil berücksichtigen. Aber dass offensichtlich verfassungswidrige Regelungen auf den Weg gebracht und verabschiedet werden, sehen wir leider viel zu häufig.
Es ist gut, dass hartnäckige Grundrechteverteidiger:innen unermüdlich gegen solche Gesetze vorgehen. Aber wir dürfen dabei nicht vergessen, dass es solche Gesetze besser gar nicht erst geben würde. Daher sollten wir beim Sicherheits- beziehungsweise Überwachungspaket nicht müde werden, auf die Probleme hinzuweisen – bevor Karlsruhe wieder ran muss.
Und auch ein weiterer Punkt macht mich manchmal nachdenklich: Was in Karlsruhe landet, wird an den äußersten Schranken der Verfassung beurteilt und nicht daran, in welcher Gesellschaft wir eigentlich leben wollen. Dabei würde ich mir wünschen, dass wir nicht nur Verfassungsbrüche verhindern und das Maß des gerade noch Zulässigen ausloten, sondern unser Zusammenleben auf Basis dessen gestalten, was wir uns wünschen. Das wäre doch auch mal was.
Ein gutes Wochenende wünscht euch
anna
Breakpoint: TikTok ist schuld, oder?Warum ist die AfD gerade bei jungen Wähler:innen so erfolgreich? Politische Kommentator:innen suchen den Grund oft in Sozialen Medien. Doch das greift zu kurz und verkennt den Kern des Problems, findet unsere Kolumnistin. Von Carla Siepmann –
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Was tun mit der von Riesen dominierten Digitalwirtschaft? Zerschlagen und von vorne anfangen. Das fordert eine internationale Koalition von zivilgesellschaftlichen Organisationen. Sie will an die Stelle der Monopolisten eine öffentliche Infrastruktur auf Basis quelloffener Software setzen. Von Maximilian Henning –
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Das Landgericht Hamburg hat die Klage eines Fotografen abgewiesen, der sich dagegen gewehrt hatte, dass eines seiner Fotos vom gemeinnützigen Verein LAION zum Training sogenannter Künstlicher Intelligenz angeboten wird. Als Forschungseinrichtung sei LAION dies erlaubt. Dabei verschenkt der Verein seine Daten auch an kommerzielle KI-Unternehmen. Von Martin Schwarzbeck –
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Ungarn hofft darauf, dass sich die EU-Mitgliedstaaten bei der Chatkontrolle einig werden. Sollte dies passieren, droht die Chatkontrolle in ihrer schlimmsten Form: Auch verschlüsselte interpersonelle Kommunikation würde gescannt werden, wenn der Vorschlag sich durchsetzt. Von Markus Reuter –
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Wen juckt es denn, ob ich WhatsApp nutze oder nicht? Können wir jetzt weitermachen? Nein. Das Private ist politisch. Von Gastbeitrag, Daniel Guagnin –
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SPD-Mitglieder distanzieren sich vom Kurs der Partei in der Migrationspolitik. Jetzt bekommen sie Unterstützung von weiteren Bundestagsabgeordneten: „Auch wir halten den Kurs, der gerade in der SPD in der Migrations- und Asylpolitik eingeschlagen wird, für falsch.“ Von Chris Köver –
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Das Bundesverfassungsgericht stärkt das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und kassiert Teile des BKA-Gesetzes: Die Regelungen zur weitgehenden Bevorratung von Daten in der Polizeidatenbank INPOL sind teilweise verfassungswidrig. Künftig darf das BKA auch nicht mehr heimlich bloße Kontaktpersonen überwachen. Von Constanze –
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Gute Nachrichten für Gegner:innen der Chatkontrolle: Die Niederlande sind gegen den neuen Vorschlag der ungarischen Ratspräsidentschaft und haben eine Enthaltung angekündigt. Damit könnte die umstrittene Verordnung ein weiteres Mal im EU-Rat durchfallen. Von Markus Reuter –
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Die Mitgliedstaaten der EU sind sich weiterhin nicht einig über die Chatkontrolle. Eine Sperrminorität im Rat hat zum wiederholten Male dazu geführt, dass das Thema von der Tagesordnung genommen wurde. Derweil melden sich noch mehr Kritiker der Chatkontrolle zu Wort. Von Markus Reuter –
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Das Bundeskartellamt stellt Microsoft unter erweiterte Missbrauchsaufsicht und legt den Grundstein dafür, den Tech-Riesen künftig in die Schranken zu weisen. Der Entscheidung war unter anderem eine Beschwerde des Softwareherstellers Nextcloud vorausgegangen. Von Esther Menhard –
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Der Europäische Gerichtshof hat der Datenverarbeitung für Werbezwecke neue Grenzen gesetzt. Auch diese Informationen unterliegen der Datenminimierung. Mit der häufigen Datenspeicherung für die Ewigkeit ist das unvereinbar. Von Anna Biselli –
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Politische Edits stilisieren Menschen zu mächtigen Symbolfiguren. Auf Kosten von Inhalten bringen die starken Bilder der Edits Millionen von Klicks und transportieren dabei gefährliche Botschaften. Von Vincent Först –
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Die Parole „From the River to the Sea“, entsprechende Kommentare oder Likes können laut Bundesinnenministerium dazu führen, dass Menschen keinen deutschen Pass bekommen. So steht es in einem Weisungsdokument mit Empfehlungen für Ausländerbehörden. Doch am Ende bleibt es Auslegungssache. Von Chris Köver –
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Unternehmen, Behörden, Ex-Partner:innen: Angriffe auf deine Privatsphäre können aus unterschiedlichen Richtungen kommen. Digitale Selbstverteidigung nennt sich die Kunst, solche Angriffe abzuwehren. Was du dafür tun kannst, darüber sprechen wir in dieser Folge. Von Chris Köver –
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Unternehmen, Behörden, Ex-Partner:innen: Angriffe auf deine Privatsphäre können aus unterschiedlichen Richtungen kommen. Digitale Selbstverteidigung nennt sich die Kunst, solche Angriffe abzuwehren. Was du dafür tun kannst, darüber sprechen wir in dieser Folge.
Leg Angreifer:innen auf die Matte. (Symbolbild) – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Joshua Jamias
https://netzpolitik.org/wp-upload/2024/10/OTR-24-10-Martin.mp3
Ihr habt gar nichts zu verbergen? Macht nichts, Privatsphäre ist ein Recht, das für alle gilt. Aber wie hält man unliebsame Beobachter nun raus aus seinen privaten Chats, Fotos, Bewegungsdaten und Festplatten? Digitale Selbstverteidigung nennt sich diese Kampfkunst, es ist die Abwehr von Angriffen, die aus ganz unterschiedlichen Richtungen auf euch zukommen können. Mal sind es Unternehmen, die an eure Daten wollen, mal Ex-Partner:innen, staatliche Behörden oder Kriminelle.
Unser Kollege Martin hatte selbst Fortbildungsbedarf und ist dafür bei den Großmeistern der digitalen Selbstverteidigung in die Lehre gegangen. Er sprach mit Cryptoparty-Aktivist:innen, mit Sicherheitsforscher:innen und Fachleuten für Gesichtserkennung. Welche Ratschläge sie gaben, was davon wie leicht oder schwer umzusetzen ist und wie das sein eigenes Verhalten verändert hat, das berichtet Martin in dieser Folge.
Außerdem geht es auch um Martin selbst und seine Vergangenheit als Reporter bei einem Stadtmagazin, in der unter anderem die Begegnung mit Waschbären einen Schlüsselmoment markierte.
In dieser Folge: Martin Schwarzbeck und Chris Köver.
Produktion: Serafin Dinges.
Titelmusik: Trummerschlunk.
Hier ist die MP3 zum Download. Wie gewohnt gibt es den Podcast auch im offenen ogg-Format.
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Die Parole „From the River to the Sea“, entsprechende Kommentare oder Likes können laut Bundesinnenministerium dazu führen, dass Menschen keinen deutschen Pass bekommen. So steht es in einem Weisungsdokument mit Empfehlungen für Ausländerbehörden. Doch am Ende bleibt es Auslegungssache.
Pro-palästinensische Demonstrant:innen in Berlin. – Alle Rechte vorbehalten IMAGOSeit Juni gilt das neue Staatsangehörigkeitsrecht, das die Ampel bereits im Koalitionsvertrag angekündigt hat. Es bringt einige Erleichterungen: Menschen, die ihren Lebensunterhalt verdienen und die Sprache gut sprechen, können schon nach fünf statt acht Jahren einen deutschen Pass beantragen. Sie müssen dazu nicht mehr ihre alte Staatsangehörigkeit aufgeben.
Zugleich hat die Bundesregierung die Anforderungen verschärft, vor allem, was das Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung angeht. „Hier gilt: Rassismus, Antisemitismus oder jede andere Form von Menschenfeindlichkeit schließen eine Einbürgerung aus“, schreibt das Bundesinnenministerium auf seiner Seite. Solche Handlungen seien mit Artikel 1 des Grundgesetzes unvereinbar: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
Unvereinbar mit Bekenntnis zur VerfassungDoch wie sollen Ausländerbehörden, die für die Einbürgerung zuständig sind, das in Zukunft überprüfen? Das Bundesinnenministerium hat dazu eine Hilfestellung erstellt. Sie ist inzwischen auf der Transparenzplattform FragDenStaat öffentlich.
In dem Dokument, über das NDR Panorama zuerst berichtete, steht auch eine Liste von Handlungen, die Anhaltspunkte dafür liefern, dass die besondere historische Verantwortung Deutschlands für den Schutz jüdischen Lebens nicht aufrichtig bejaht wird. Genannt wird hier neben der Leugnung des Holocausts auch die Aussage „From The River to the Sea“, gegebenenfalls mit dem Zusatz „Palestine will be free“. Die Aussage könnte unvereinbar sein mit einem Bekenntnis zur deutschen Verfassung, steht in dem Dokument – und damit der Einbürgerung entgegenstehen.
„From The River to the Sea“ ist eine pro-palästinensische Parole, die im Kontext des Israel-Palästina-Konflikts entstanden ist. Gemeint ist das Gebiet zwischen dem Fluss Jordan und dem Mittelmeer, das heutige Staatsgebiet von Israel und den palästinensischen Gebieten.
Verboten oder nicht?Um die Parole tobt seit dem Terrorangriff der Hamas im Oktober 2023 ein politischer Streit. Das Bundesinnenministerium hatte sowohl Hamas als auch Parole Anfang November per Verfügung verboten. Der Ausspruch sei der Hamas zuzuordnen. Wer ihn verwende, nutze automatisch das Kennzeichen einer Terrororganisation. Seitdem setzen Behörden die Parole ein, um Demonstrationen zu verbieten oder Hausdurchsuchungen bei palästina-solidarischen Aktivist:innen anzuordnen.
Andere berufen sich darauf, dass die Bedeutung nicht eindeutig sei. Handelt es sich um einen Aufruf zur Vernichtung Israels? Oder ist mit dem Slogan das Recht der Palästinenser:innen auf ein Leben in Würde und Freiheit gemeint, im Gazastreifen, dem besetzten Westjordanland und Ost-Jerusalem?
Auch von Gerichten wird die Auslegung des BMI sehr unterschiedlich beurteilt. Ende Mai urteilte das Landgericht Mannheim: Die Parole sei kein Kennzeichen der Hamas. Sie habe eine komplexe Geschichte und liefere keinen Hinweis, auf welche Weise das historische Palästina befreit werden solle. Die Äußerung sei von der Meinungsfreiheit gedeckt.
Kurz darauf entschied ein Verwaltungsgerichte in Baden-Württemberg anders und nannte die Parole Kennzeichen der Hamas und der verbotenen Organisation Samidoun. Die Rechtslage bleibt damit weiter unklar.
„Unmittelbar kommentierender Zusammenhang“In Deutschland sind die Länder für Einbürgerungen zuständig. Die Verfahren werden von den Ausländerbehörden in der jeweiligen Region durchgeführt. Die Anwendungshinweise aus dem BMI dienen dabei als Leitfaden und sollen sicherstellen, dass die Verfahren bundesweit einheitlich durchgeführt werden. Sie sind aber nicht rechtlich bindend.
Auf die Frage, ob die Parole vor dem Hintergrund der Gerichtsurteile zur Grundlage dafür werden kann, eine Einbürgerung zu verweigern, antwortete ein Sprecher des BMI, der Zusammenhang sei entscheidend.
Aussagen wie „From the River to the Sea“ könnten für die Einbürgerung relevant sein, „soweit sie in Zusammenhang stehen mit einem ausdrücklichen Aufruf zu gewaltsamen Handlungen gegen den Staat Israel, insbesondere bei Forderungen nach einer Auslöschung Israels beziehungsweise der Errichtung eines rein palästinensischen Staates auf dem heutigen Gebiet des Staates Israel.“ Dies könne angenommen werden bei einem konkreten Bezug zu Hamas oder einem „unmittelbar kommentierendem Zusammenhang mit dem Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober 2023“.
Wird eine solche Aussage bekannt, sollte die Ausländerbehörde in einem Gespräch klären, ob dahinter eine antisemitische Einstellung besteht, so die Empfehlung aus dem Ministerium. Danach soll die Behörde in einer Gesamtschau aller Aussagen der Person und Begleitumstände bewerten, ob das Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung glaubhaft sei.
In den Anwendungshinweisen des BMI wird erläutert, was in diesem Zusammenhang bereits als „Handlung“ zu werten ist. „‚Handlungen‘ sind jedes beherrschbare menschliche Verhalten, einschließlich mündlicher oder schriftlicher Äußerungen, in Deutsch oder in anderen Sprachen“, heißt es dort, „auch im öffentlich sichtbaren Teil sozialer Netzwerke.“ Als Beispiele listet das Dokument „Nutzung der Kommentarfunktion, der Funktion ‚Gefällt mir‘ (‚Like‘), der Nutzung eines Profilbildes, des Einstellens (‚Posten‘) oder des Verbreitens beziehungsweise Teilens von Beiträgen, die aus Sicht des objektiven Empfängerhorizonts antisemitischen, rassistischen und sonstig menschenverachtenden Inhalt haben.“
Ausweisung schon nach einem Like
Auch Ausweisung nach Kommentaren möglichDie Weisung bedeute noch nicht, dass eine Einbürgerung tatsächlich scheitert, sagt der auf Ausländerrecht spezialisierte Rechtsanwalt Matthias Lehnert: „Ein Verwaltungsgericht kann überprüfen, ob die Ablehnung einer Einbürgerung wegen der Parole rechtmäßig ist oder nicht.“ Problematisch sei eine solche Vorgabe in jedem Fall, weil sie tiefgreifend die Meinungsfreiheit tangiert.
Ende Juni hatte die Bundesregierung bereits auf Vorschlag von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) einen Gesetzentwurf beschlossen, der Ausweisungen vereinfachen soll. Auch hier ging es um Äußerungen und Handlungen auf Sozialen Medien. In Zukunft soll demnach schon ein Kommentar oder ein Like im Netz als „Verbreitung von Inhalten“ gewertet werden und ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse begründen.
Fachleute wiesen anschließend darauf hin, dass die geplante Verschärfung eher symbolischer Natur sei. Ausländerbehörden könnten Personen schon heute wegen ihrer Aktivitäten in den Sozialen Medien ausweisen, etwa wenn diesen vorgeworfen wird, Terror zu billigen.
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Politische Edits stilisieren Menschen zu mächtigen Symbolfiguren. Auf Kosten von Inhalten bringen die starken Bilder der Edits Millionen von Klicks und transportieren dabei gefährliche Botschaften.
Die Inszenierung erschafft neue Bilder. – Public Domain generiert von Vincent Först mit MidjourneyEigentlich tanzte die Schauspielerin Jenna Ortega in ihrer Rolle als Wednesday Addams in der gleichnamigen Fernsehserie zum Song „Goo Goo Muck“ von den Cramps. Eine TikTok-Nutzerin kürzte die Szene auf wenige Sekunden und tauschte die Musik gegen eine schnellere Version von Lady Gagas „Bloody Mary“. Der Edit wird hundertvierzig Millionen Mal geklickt – „Wednesday“ bricht alle Rekorde und Ortega ist weltweit bekannt.
Eine Geschichte, wie sie TikTok beinahe täglich schreibt, und die beweist, dass Edits heute eines der wichtigsten Instrumente der Inszenierung auf sozialen Medien sind. Durch einfache Effekte wie schnelle Schnitte und gezielte Musikauswahl können Edit-Ersteller:innen Inhalten zusätzliche Bedeutung geben. Bisher verhalfen Edits Serien, Filmen und Menschen zu immenser viraler Prominenz. Sie können als Kunstform interpretiert werden oder propagandistischen Zwecken dienen.
Das haben Politiker:innen und Aktivist:innen, die das noch relativ junge Format für ihre Ziele nutzen, unlängst erkannt. Leider gewinnen im Spiel um Aufmerksamkeit nur diejenigen, die sich besonders gut vor der Kamera präsentieren und die Edit-kompatibel sind. Politik wird so zunehmend zu einem für die sozialen Medien aufbereiteten Spektakel, was die nahenden Wahlen in den USA zeigen – mit problematischen Konsequenzen.
Was sind Edits?Die Journalistin Jules Terpak definiert Edits als „Compilation videos, typically set to music, that convey a narrative about a person, place, thing or topic.“ Diese Erzählungen würden unsere höheren kognitiven Funktionen umgehen und direkt auf die Bereiche unseres Gehirns zielen, in denen Emotionen verarbeitet werden: „where we laugh, where we sing and where we cry.“
Die Technik wird zunehmend auch im politischen Bereich eingesetzt, wo Creator:innen geschickt Politiker:innen in Szene setzen. Sie bescheren den gezeigten Personen mit ihren Edits „Mic-Drop“-Momente: dramatische Auftritte, die sich an einem einzelnen Satz oder einer Geste des Gezeigten orientieren, bevor sie mit einem dazu passenden Musikwechsel in eine vorteilhafte Bilder- oder Videosequenz übergehen. Von Donald Trump und Barack Obama existieren viele Edits dieser Art, die auch häufig dieselben Songs nutzen, zum Beispiel „Telescope“ von TWXN in einer langsameren Version.
Dieser Song bietet sind durch den Refrain an, der nach einem medialen Schlüsselmoment einsetzt. „They know I’m a big boss“ ertönt dann etwa, als Trump nach dem fehlgeschlagenen Attentat die Faust nach oben reckt. Für den nötigen patriotischen Effekt fügen die Ersteller:innen oft den Ruf des amerikanischen Adlers bei wichtigen Übergängen ein, etwa nach dem „We own the finish line“-Zitat aus einer Biden-Rede, gefolgt von Kurzclips amerikanischer Kampfflugzeuge im Einsatz.
Edits lassen sich relativ einfach und ohne großen Aufwand erstellen. Editing-Software wie Capcut stellt dafür Vorlagen zur Verfügung. Creator:innen müssen dann nur noch ihr eigenes Material in diese Vorlagen einfügen. Das führt einerseits zu einer Demokratisierung des politischen Aktivismus, andererseits können populistische Inhalte so sehr schnell ein Millionenpublikum erreichen.
Satirische Polit-Edits, wie ein Clip, der Alice Weidels Zugehörigkeit zur LGBTQ-Bewegung suggeriert, sind eher selten. Bisher versuchen nur wenige Content Creator:innen wie „us.edits.flop“, größere politische Zusammenhänge herzustellen.
Politischer Content als ProduktDer virale Erfolg und die Reichweite der politischen Edits stacheln vormals unpolitische Content Creator:innen an, politischen Content zu erstellen. So findet sich auf einem TikTok-Account zwischen Edits über das kommende Videospiel „Grand Theft Auto 6“ oder den Musiker „Tyler, the Creator“ auch ein einzelner Edit von Trump, der mit 3,6 Millionen Aufrufen das mit Abstand erfolgreichste Video des Accounts ist. Der Creator fragt in der Caption unbedarft: „Should i do more edits like this?“
Ein ähnliches Phänomen lässt sich bei den sogenannten „Live Matches“ erkennen, in deren Rahmen Teenager – häufig ohne Vorkenntnisse – politische Debatten auf TikTok führen und sich von den Zuschauer:innen dafür bezahlen lassen. Die jungen „political battlers“, die jeweils Demokraten oder Republikaner vertreten, verdienen so mitunter Tausende Dollar im Monat.
Auch bei den US-amerikanischen National Conventions, in deren Rahmen die Parteien ihre Kandidat:innen für das Amt des Präsidenten und des Vizepräsidenten nominieren, spielten dieses Jahr Content Creator:innen eine wichtige Rolle als Werbeträger:innen. Für die Democratic National Convention hat die Partei rund 200 Social-Media-Stars eingeladen und regelrecht hofiert. Neben einer eigens für sie ausgerichteten „Creators for Kamala Yacht Party“ durften ausgewählte Creator:innen exklusive Interviews mit Parteigrößen führen, darunter mit Kamala Harris selbst.
Auf der Republican National Convention waren neben Stars wie Hulk Hogan oder Kid Rock immerhin mehr als 70 Content Creator:innen anwesend. Sowohl für die Parteien als auch die Content Creator:innen ist das von Vorteil. Denn Content von beziehungsweise über Harris und Trump ist ein beliebtes Produkt auf sozialen Medien.
Trump war bereits vor seiner Amtszeit als Präsident eine prominente Figur und hat den Umgang mit den Medien, insbesondere Twitter, perfektioniert. Mit Harris Erfolg als Meme-Figur haben auch die Demokraten einen immens erfolgreichen Start ihrer digitalen Wahlkampfkampagne hingelegt.
Virale Kampagnenarbeit durch Creator:innenSeit ihrer Nominierung profitiert Harris enorm von den sozialen Medien. Ihr wohl bekanntestes Fan-Edit hat auf TikTok 23 Millionen Aufrufe und knapp fünf Millionen Likes. KamalaHQ, der offizielle TikTok-Kampagnenkanal der Präsidentschaftskandidatin, produziert inzwischen auch eigene Edits. Ein Edit nimmt konkret Bezug auf Trump. Dort heißt es: „The difference is – I’m not mid”.
Harris Tanzeinlagen, Zitate und ihr herzliches Lachen lassen sich gut auf den sozialen Medien verarbeiten. Trump bedient die Plattformen mit seinen knalligen Sprüchen und eingeöltem Bühnencharisma. Die Attribute beider Politiker:innen sind hervorragend für Edits geeignet. Wer starke Bilder liefert, ist in Konsequenz für Creator:innen interessant, die Reichweite generieren wollen. Die Gezeigten kommen wiederum in den Genuss kostenloser und effizienter Kampagnenarbeit seitens der Creator:innen, die in der Regel relativ positiv und unkritisch bleibt.
Politiker:innen haben daher Vorteile davon, wenn sie an der eigenen Editability arbeiten. Das ist zeitgenössische „Image-Pflege“. Wer die passenden Dinge tut und sagt, die gut in zurechtgeschnittene Edits passen, wird mit Aufmerksamkeit belohnt. Terpak bezeichnet diese neue mediale Pflicht der Politiker:innen als „creating blank canvas moments for editors, commentators and others on the internet to run with“.
Werbung als VorbildWenn die Supermarkt-Kette Edeka in einem viralen Werbespot einen sympathischen Opa erst seinen eigenen Tod vortäuschen lassen muss, damit die auf der ganzen Welt verstreute High-Performer-Familie – Arzt, Geschäftsmann und Hausfrau mit Kindern – endlich an Weihnachten zum gemeinsamen Festessen zusammenkommt, will sie ihren Kund:innen suggerieren, die Marke Edeka stehe für Nächstenliebe, Familienglück und beruflichen Erfolg.
Hinter dem vermittelten Symbolwert verschwimmt das, was Edeka eigentlich ist: ein Supermarkt mit einer nur geringfügig anderer Produktauswahl als die Konkurrenz. So wie Werbung respektive Public Relations gute Geschichten braucht, allgemein als „Storytelling“ bekannt, brauchen die politischen Edits Schnitt, Komposition und die passende musikalische Untermalung, um auch alte Herren wie Trump und Biden ins rechte Licht rücken zu können.
Politische Edits und Werbung hübschen mit verherrlichenden Bildern und starken Emotionen ihre Produkte auf. Diese Effekte sind nötig, ohne sie wäre das Gezeigte viel weniger interessant. Letztendlich sind die politischen Edits also kleine Werbefilme mit Signalwirkung, die mit den Techniken des Marketings arbeiten.
Denn zwischen dem Werbespot von Edeka und einem Kawaii-Edit (japanisch für „niedlich“) von Trump mit Anime-Schnurrhaaren, der auf einer Wahlkampfveranstaltung einen kleinen Jungen auf den Armen hält und fragt, ob der Junge zurück zu seinen Eltern oder bei Trump bleiben will – der Junge sagt schüchtern „Trump“ ins Mikrofon – besteht also eine gewisse Ähnlichkeit. Es handelt sich um Effekthascherei, die durch hochemotionale Bilder Werte vermittelt, die nichts mit der Realität zu tun haben.
Plattformen und Populismus gehen Hand in HandNun sind soziale Medien für emotionalisierende – und im politischen Kontext populistische – Botschaften geschaffen. TikTok behauptet zwar nach außen, seine Mission sei, „Kreativität zu inspirieren und Freude zu bringen“. Aber das wirtschaftliche Ziel besteht darin, die Nutzer:innen so lange wie möglich auf den Plattformen zu halten, um möglichst viel Geld mit Werbung zu verdienen. Denn die Plattformen sind in erster Linie Werbeträger, ihre bevorzugten Kund:innen sind nicht die Nutzer:innen, sondern Unternehmen.
Was erregt, klickt gut und fesselt die Nutzer:innen an den Bildschirm, zum Wohle der Werbung. Die Struktur der Plattformen beeinflusst so indirekt die öffentlichen Auftritte und das Verhalten der Politiker:innen. Politische Edits müssen deshalb kritisch auch als ein PR-Tool verstanden werden – das hat rechte Politik längst erkannt. In der überreizten Atmosphäre der sozialen Medien gewinnt die Politik der Gefühle, nicht der Sachlichkeit und wertvollen Inhalte. Ruhige und überlegte Stimmen haben in Zukunft noch weniger Chancen, gehört zu werden – und auch hierzulande flimmern bereits die ersten Edits von Björn Höcke und Co. über die Bildschirme.
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Der Europäische Gerichtshof hat der Datenverarbeitung für Werbezwecke neue Grenzen gesetzt. Auch diese Informationen unterliegen der Datenminimierung. Mit der häufigen Datenspeicherung für die Ewigkeit ist das unvereinbar.
Max Schrems hat schon viele Verfahren gegen Meta angestrengt.Meta darf nicht einfach alle möglichen personenbezogenen Daten nutzen, um personalisierte Werbung auszuspielen. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Freitag bestätigt. Der Entscheidung zu Grunde lag ein Fall, den Max Schrems von der Datenschutzorganisation noyb vor ein österreichisches Gericht gebracht hatte. Der österreichische Oberste Gerichtshof hatte daraufhin den EuGH gebeten, gewisse Fragen zur Datenschutzgrundverordnung auszulegen.
In der Entscheidung des EuGH geht es um zwei grundsätzliche Fragen. Die erste: Wie steht es mit der Datenminimierung bei Werbezwecken? Schrems hatte bemängelt, dass Meta alle möglichen personenbezogenen Daten für Werbung nutzt, ohne das zeitlich einzuschränken und die Daten irgendwann zu löschen. Seiner Ansicht nach müssten Daten regelmäßig gelöscht werden, selbst wenn eine Person prinzipiell in personalisierte Werbung eingewilligt hat.
Der EuGH folgt dieser Argumentation und sagt, dass es nicht mit dem Grundsatz der Datenminimierung vereinbar ist, wenn ein Plattformbetreiber alle personenbezogenen Daten „zeitlich unbegrenzt und ohne Unterscheidung nach ihrer Art für Zwecke der zielgerichteten Werbung aggregiert, analysiert und verarbeitet“.
Katharina Raabe-Stuppnig, Schrems Anwältin, sieht das als Bestätigung. Laut einer Pressemitteilung von noyb sagt sie: „Nach diesem Urteil darf nur ein kleiner Teil des Datenbestands von Meta für Werbezwecke verwendet werden – selbst wenn die Nutzer der Werbung zustimmen.“
Urteil mit Wirkung für die ganze BrancheDie zweite Frage drehte sich um die Verarbeitung sensibler persönlicher Daten, hier die sexuelle Orientierung von Personen. Seine eigene hatte Schrems bei einer Podiumsdiskussion offengelegt, verbunden mit einer Kritik an Facebook, wo er seine sexuelle Orientierung gerade nicht angegeben hatte. Doch berechtigt das Meta, daraufhin für Werbezwecke weitere personenbezogene Daten zu verarbeiten, die sich darauf beziehen? Weil die Information an anderer Stelle öffentlich geworden ist? Nein, sagt der EuGH.
Raabe-Stuppnig fasst zusammen: „Wir sind sehr zufrieden mit dem Urteil, auch wenn dieses Ergebnis durchaus zu erwarten war.“ Es dürfte nicht nur Meta betreffen, sondern alle, die Werbedaten verarbeiten, ohne sie zeitlich zu begrenzen. Laut dem Digitalbranchen-Verband Bitkom könne dies „erhebliche Konsequenzen“ für die Digitalwirtschaft haben.
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Das Bundeskartellamt stellt Microsoft unter erweiterte Missbrauchsaufsicht und legt den Grundstein dafür, den Tech-Riesen künftig in die Schranken zu weisen. Der Entscheidung war unter anderem eine Beschwerde des Softwareherstellers Nextcloud vorausgegangen.
Kartellamts-Chef Andreas Mundt könnte demnächst schneller aktiv werden, wenn Microsoft seine Marktmacht missbraucht. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO/epdNach Google, Meta, Apple und Amazon wird das Bundeskartellamt (BKartA) nun gegen Microsoft aktiv. In einem Verfahren hat das Amt dem IT-Konzern aus Redmond eine „überragende marktübergreifende Bedeutung“ attestiert und es unter erweiterte Missbrauchsaufsicht (PDF) gestellt. Damit hat das BKartA die Voraussetzung dafür geschaffen, künftig leichter gegen wettbewerbsgefährdende Praktiken des Unternehmens vorzugehen.
Kartellamts-Präsident Andreas Mundt begründet die Entscheidung der Behörde damit, dass Microsofts Ökosystem dominierender sei als je zuvor. „Denn über alle Bereiche wölben sich zunehmend Cloud und Künstliche Intelligenz, Schlüsseltechnologien, in denen Microsoft durch eigene Entwicklungen und durch Kooperationen seine starke Position untermauert hat.“
In Wirtschaft und Verwaltung, aber auch bei privaten Nutzer:innen seien Microsoft-Produkte inzwischen Standard. Mundt stellt dabei auf den Vendor-Lockin-Effekt ab. Microsofts IT bevorzuge nämlich bestimmte Anwendungen, die mit dem Ökosystem des Herstellers kompatibel sein müssen. Damit gebe der Tech-Riese auch den Rahmen für Softwareentwicklung vor, die sich an Microsoft orientieren müsse, damit Betriebe das jeweilige Produkt in ihr MS-System integrieren können. Dabei konkurrieren einzelne Microsoft-Produkte nicht selten mit dieser Software von Drittanbietern.
Kartellamt geht weiter als der Digital Marktes ActSeine Marktmachtstellung stärke Microsoft seit vielen Jahren nicht nur mit dem Betriebssystem Windows, sondern auch mit „Produktivitätssoftware“ wie Microsoft 365. Führend sei das Unternehmen auch mit seiner Cloud-Technologie Azure wie auch bei sogenannter Künstlicher Intelligenz mit Microsoft Copilot. Dazu kooperiert es mit dem KI-Unternehmen OpenAI.
Dazu greift es auch auf die Taktik zurück, Software im Paket anzubieten, wie das Videokonferenztool Teams, das Microsoft mit Office 365 und Microsoft 365 ausgeliefert hat. Seit einem Jahr ermittelt die Europäische Kommission deswegen gegen Microsoft. Zwar hat das Unternehmen Teams aus den Paketen herausgelöst, das geht der Kommission jedoch nicht weit genug. Denn Teams ist Teil des Abos von MS-Produktivanwendungen wie Office. Kund:innen können nicht wählen, ob Teams im Abo enthalten sein soll oder nicht.
Indes stellt das Kartellamt klar, seine Entscheidung betreffe den Microsoft-Konzern im Ganzen, also alle Dienste und Produkte. Hier sieht Mundt einen Vorteil gegenüber dem europäischen Digital Markets Act (DMA), der beginnend mit dem Vorjahr schrittweise in Kraft getreten ist. Mit dem Gesetz will die EU die Marktmacht dominanter IT-Firmen beziehungsweise ausgewählter Produkte eindämmen.
Die EU-Kommission hat dementsprechend für das Betriebssystem Windows und Microsofts Karrierenetzwerk LinkedIn eine sogenannte Gatekeeper-Funktion festgestellt, kann aber auch nur diese Produkte stärker regulieren. „Wir können auf Grundlage unserer Entscheidung wettbewerbsgefährdende Praktiken dort unterbinden, wo der DMA nicht greift“, erklärt Mundt.
Nextclouds BeschwerdeEine große Rolle für die Entscheidung des BKartAs scheint auch die Beschwerde des deutschen Unternehmens Nextcloud gespielt zu haben. Das hat Hinweise zu Microsofts wettbewerbswidrigem Verhalten an das Amt übermittelt, man stehe im regelmäßigen Austausch, so Frank Karlitschek, Gründer und Chef von Nextcloud.
Mit seinem Unternehmen arbeitet er auch für den Bund an der Bundescloud für die öffentliche Verwaltung. Sein Produkt ist eine Kollaborationssoftware auf Open-Source-Basis, darunter auch ein Filesharing-Tool, das in Konkurrenz zu Microsofts Cloud-Lösung OneDrive steht.
In 2021 reichte er zunächst Beschwerde bei der Europäischen Kommission ein. Sie richtete sich vor allem gegen die tiefe Integration der Cloud-Lösung, die laut Karlitschek Windows-Nutzer:innen bei relevanten Arbeitsschritten regelmäßig angezeigt werde. Dieser Dienst ist vorinstalliert und mit dem Microsoft-Nutzerkonto kompatibel. Das ist bequem, macht es Nutzer:innen gleichzeitig aber auch schwer, Software anderer Hersteller wie Dropbox oder Nextcloud zu benutzen, so Karlitschek gegenüber netzpolitik.org. Mit Windows 11 geht Microsoft noch weiter: Nutzer:innen sind mit der ersten Anmeldung im System auch automatisch OneDrive-Kund:innen.
Im selben Jahr wandte sich Karlitschek schließlich mit einer weiteren Beschwerde an das Βundeskartellamt, da das europäische Kartellverfahren nur schleppend verlief. Dabei weitete er die Beschwerde auf andere Microsoft-Produkte wie Teams aus.
Zudem wies er darauf hin, dass Dateien in Excel oder Word auf dem iPhone oder iPad standardmäßig in OneDrive abgespeichert werden. Wollen Nutzer:innen einen anderen Speicherdienst auswählen, müssen sie mehrere Klicks vornehmen. Die Liste an Vorschlägen kuratiert Microsoft laut Karlitschek allerdings stark. Nextcloud kann dort nicht ausgewählt werden, weil das Microsoft-System eine dezentral organisierte Lösung technisch nicht vorsieht. Technisch möglich sei es, so Karlitschek. Microsoft treffe hier eine politische Entscheidung, nur Diensteanbieter in die Vorschläge aufzunehmen, die ein Partnerprogramm mit Microsoft eingegangen sind.
Handhabe gegen MicrosoftIn seiner Beschwerde gegen Microsofts unfaire Methoden unterstützen Nextcloud circa 30 Organisationen, darunter auch die Free Software Foundation Europe. Sie kritisieren: Microsoft habe sich ein „einzigartiges digitales Ökosystem über mehrere strategisch wichtige Märkte im digitalen Sektor“ erschaffen. Für Wettbewerber sei Microsofts Markstellung kaum angreifbar.
Es gehe ihm nicht nur ums Geschäft, sagt Karlitschek. Software sei heute politisch und erfordere politisches Engagement, etwa der Einsatz für Open-Source-Software und offenen Quellcode. Die Entscheidung des Kartellamts mache Mut, dennoch sieht Karlitschek skeptisch in die Zukunft: Das Verfahren dauere nun schon drei Jahre.
Das BKartA äußert sich derweil noch vorsichtig. Welche konkreten Verhaltensweisen von Microsoft man näher untersuchen werde, sei noch offen. Grundsätzlich kann das Amt seit der Überarbeitung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen von 2021 (10. GWB-Novelle) die Marktmacht der Digitalkonzerne besser überwachen und effektiver einschränken. Hat es das Label „überragende marktübergreifende Bedeutung“ erst einmal ausgestellt, kann es frühzeitiger und mit weniger bürokratischem Aufwand gegen missbräuchliche Praktiken vorgehen. Es könnte Microsoft im Fall überhöhter Preise zu Rückerstattungen zwingen oder Bußgelder (PDF) verhängen.
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Die Mitgliedstaaten der EU sind sich weiterhin nicht einig über die Chatkontrolle. Eine Sperrminorität im Rat hat zum wiederholten Male dazu geführt, dass das Thema von der Tagesordnung genommen wurde. Derweil melden sich noch mehr Kritiker der Chatkontrolle zu Wort.
So wäre Chatkontrolle analog. (Symbolbild) – Public Domain generiert mit MidjourneyDie ungarische Ratspräsidentschaft hat die Chatkontrolle entgegen vorheriger Planungen von der Tagesordnung der heutigen Sitzung der Ständigen Vertreter im EU-Rat genommen. Dies bestätigte ein Sprecher des EU-Rates gegenüber netzpolitik.org. Der Schritt deutete sich gestern schon an, nachdem die Niederlande angekündigt hatten, sich zu enthalten. Dadurch steht die Sperrminorität im Rat gegen die Chatkontrolle.
Elina Eickstädt, Sprecherin des Chaos Computer Clubs, sieht das als einen Erfolg der anhaltenden Proteste gegen die Verordnung: „Dass die Chatkontrolle von der Tagesordnung genommen wurde, zeigt, dass eine aktive digitale Zivilgesellschaft in allen EU-Staaten nötig ist, um das Gesetz zu verhindern.“
Ein Sprecher des EU-Rates sagt allerdings auch, dass Ungarn „weiterhin aktiv Gespräche mit allen Mitgliedstaaten“ führe. „Der Verordnungsvorschlag könnte von daher nächste Woche wieder auf die Tagesordnung kommen“, so der Sprecher weiter. Die Chatkontrolle steht allerdings weiterhin auf der Tagesordnung des Treffens der Justiz- und Innenminister am 9. und 10. Oktober.
Unterdessen ist der aktuelle Verordnungstext vom 24. September (PDF) bekannt geworden, den das Medium „Contexte“ zuerst veröffentlicht hatte.
Was ist die Chatkontrolle?Die EU-Kommission will mit der sogenannten CSA-Verordnung gegen sexualisierte Gewalt gegen Kinder vorgehen. Sie möchte dafür Internetdienste per Anordnung verpflichten, die Inhalte ihrer Nutzer:innen automatisiert auf Straftaten zu durchsuchen und bei Verdacht an Behörden zu melden. Das EU-Parlament bezeichnet das seit fast einem Jahr als Massenüberwachung und fordert, nur unverschlüsselte Inhalte von Verdächtigen zu scannen.
Die EU-Staaten können sich bisher nicht auf eine gemeinsame Position einigen. Mehrere Ratspräsidentschaften sind daran gescheitert, eine Einigung zu erzielen.
Jetzt versucht es Ungarn, das im zweiten Halbjahr 2024 die Ratspräsidentschaft innehat. Zuletzt hatte es vorgeschlagen, dass Dienste-Anbieter zunächst nur nach bekannten Straftaten suchen müssen – also nach Bildern und Videos, die bereits aufgefallen sind. Neues Material und Grooming sollen erst später verpflichtend werden, wenn die Technik gut genug ist.
Die Grundprobleme der Chatkontrolle bleiben bei dem Vorschlag der Ungarn bestehen: anlasslose Massenüberwachung, falsche Verdächtigungen, das Ende von zuverlässiger Verschlüsselung und Probleme mit der IT-Sicherheit.
Immer mehr scharfe KritikDas Vorhaben der EU-Kommission steht deswegen weithin in der Kritik – nicht nur von Digital- und Grundrechteorganisationen. Jüngst hatten mehr als 300 Wissenschaftler:innen aus der ganzen Welt vor der Verordnung – auch in der ungarischen Version – gewarnt.
Scharfe Kritik übt auch die Gesellschaft für Informatik (GI) an den Plänen der EU zur verpflichtenden Überwachung von privater digitaler Kommunikation: Der GI-Arbeitskreis Datenschutz und IT-Sicherheit warnt vor dem neuen Anlauf der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft. Zudem hat sich auch die internationale Dachorganisation der Informatik-Gesellschaften Council of European Informatics Societies (CEPIS) explizit dem offenen Brief gegen die geplante Verordnung angeschlossen.
Kürzlich hat sich auch das Forschungszentrum Informatik (FZI), eine Gründung des baden-württembergischen Wirtschaftsministeriums und der Uni Karlsruhe, in einem Positionspapier gegen die Chatkontrolle (PDF) gestellt.
Als ein weiterer erklärter Gegner der Chatkontrolle hat sich auch der niederländische Geheimdienst AIVD bekannt: Die geplanten Anordnungen für Anbieter von Ende-zu-Ende-verschlüsselter Kommunikation seien ein zu großes Sicherheitsrisiko.
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Gute Nachrichten für Gegner:innen der Chatkontrolle: Die Niederlande sind gegen den neuen Vorschlag der ungarischen Ratspräsidentschaft und haben eine Enthaltung angekündigt. Damit könnte die umstrittene Verordnung ein weiteres Mal im EU-Rat durchfallen.
Chatkontrolle wäre wie eine Kameraüberwachung beim Briefeschreiben, bevor der Brief in den Umschlag gesteckt wird. (Symbolbild) – Public Domain generiert mit Midjourney.comUngarn könnte mit seinem jüngsten Anlauf zur Chatkontrolle scheitern. Die niederländische Regierung hat sich heute gegen den Vorschlag der ungarischen Ratspräsidentschaft gestellt, indem sie eine Enthaltung ankündigte. Damit sinkt die Unterstützung für das Überwachungsprojekt im EU-Rat, wo sich die EU-Länder noch nicht auf eine gemeinsame Position einigen konnten: Bislang hatte sich die niederländische Regierung keine eindeutige Position zur Chatkontrolle gehabt.
Verhandelt wird im Rat eine aktualisierte Version des bekannten Vorschlages der ungarischen Ratspräsidentschaft, der allerdings nur geringfügige Änderungen beinhaltet. Dieser steht eigentlich am morgigen Mittwoch auf der Tagesordnung des Ausschusses der Ständigen Vertreter des EU-Rates (PDF). Am 10. Oktober treffen sich dann die Justiz- und Innenminister:innen der Mitgliedstaaten, auch hier sollte die Verordnung eigentlich behandelt werden.
Das niederländische Ministerium für Justiz und Sicherheit hat heute unmissverständlich bekanntgeben:
Die Bedenken der Regierung hinsichtlich des Schutzes grundlegender Grundrechte, die auf dem Spiel stehen, insbesondere in den Bereichen Privatsphäre und Post- und Fernmeldegeheimnis, sowie der Sicherheit des digitalen Raums sind zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausreichend berücksichtigt worden. Die Regierung hat daher beschlossen, nicht Stellung zu nehmen und dies aktiv kundzutun. Die Niederlande werden somit zu den Ländern gezählt, die die allgemeine Ausrichtung nicht unterstützen. [unsere Übersetzung]
Im Begleitschreiben des Parlamentes (PDF) verweist die Niederlande darauf, dass der Knackpunkt die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung sei und „dass die Erkennung von kinderpornografischem Material durch clientseitiges Scannen ein zu großes Sicherheitsrisiko für die digitale Widerstandsfähigkeit der Niederlande darstellen würde“.
Mit der Position der Niederlande wackelt nun die Chatkontrolle erneut. In der Vergangenheit hatte die Ratspräsidentschaft das Thema von der Tagesordnung genommen, wenn es eine Sperrminorität gab. Noch steht die Chatkontrolle allerdings im Programm für morgen.
Was ist die Chatkontrolle?Die EU-Kommission will mit der so genannten CSA-Verordnung gegen sexualisierte Gewalt gegen Kinder vorgehen. Sie möchte dafür Internetdienste per Anordnung verpflichten, die Inhalte ihrer Nutzer:innen automatisiert auf Straftaten zu durchsuchen und bei Verdacht an Behörden zu melden. Das EU-Parlament bezeichnet das seit fast einem Jahr als Massenüberwachung und fordert, nur unverschlüsselte Inhalte von Verdächtigen zu scannen.
Die EU-Staaten können sich bisher nicht auf eine gemeinsame Position einigen. Mehrere Ratspräsidentschaften sind daran gescheitert, eine Einigung zu erzielen. Jetzt versucht es Ungarn, das im zweiten Halbjahr 2024 die Ratspräsidentschaft innehat. Zuletzt hatte es vorgeschlagen, dass Dienste-Anbieter zunächst nur nach bekannten Straftaten suchen müssen – also nach Bildern und Videos, die bereits aufgefallen sind. Neues Material und Grooming sollen erst später verpflichtend werden, wenn die Technik gut genug ist.
Die Grundprobleme der Chatkontrolle bleiben bei diesem Vorschlag bestehen: anlasslose Massenüberwachung, falsche Verdächtigungen, das Ende von zuverlässiger Verschlüsselung und Probleme mit der IT-Sicherheit.
Scharfe Kritik aus der WissenschaftDas Vorhaben der EU-Kommission steht deswegen weithin in der Kritik – und nicht nur von Digital- und Grundrechteorganisationen. Jüngst hatten mehr als 300 Wissenschaftler:innen aus der ganzen Welt vor der Verordnung auch in der ungarischen Version gewarnt.
Jüngst hat sich auch Forschungszentrum Informatik (FZI), eine Gründung des des baden-württembergischen Wirtschaftsministeriums und der Uni Karlsruhe in einem Positionspapier gegen die Chatkontrolle (PDF) gestellt.
Die Chatkontrolle würde ihr Ziel, nämlich die Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern, verfehlen. „Es wird eine technische Lösung suggeriert, die es nach dem Stand der Technik derzeit nicht gibt.“ Stattdessen ermögliche die Chatkontrolle staatlichen Sicherheitsbehörden zukünftig eine Massenüberwachung. Mit Inkrafttreten der Chatkontrolle würde „ein massiver Eingriff in das Grundrecht auf Sicherheit und Vertraulichkeit der digitalen Kommunikation aller Einwohner*innen der Europäischen Union (EU)“ vorgenommen. „Dies wird einen Grundpfeiler unserer demokratischen Wertegemeinschaft ins Wanken bringen“, so die gemeinnützige Forschungseinrichtung weiter.
Ferner heißt es im Text des FZI:
Wir sehen derzeit keine Möglichkeit einer technisch sinnvollen und dabei grundrechtskonformen Umsetzung einer Chatkontrolle. Stattdessen sehen wir im zur Abstimmung vorliegenden Entwurf der CSA-Verordnung eine Gefahr für die Demokratie und der persönlichen Freiheit durch die Schwächung von Grundrechten. Der eigentlich angestrebte effektivere Schutz von Kindern und Jugendlichen als erklärtes Ziel der Chatkontrolle wird nach unserer Überzeugung nicht erreicht werden.
Das FZI fordert deswegen, dass das Grundrecht auf Sicherheit und Vertraulichkeit der digitalen Kommunikation erhalten bleiben müsse – und die Verordnung in der jetzigen Form nicht verabschiedet werden sollte.
Korrekturhinweis: Wir haben deutlicher beschrieben, dass sich die Niederlande enthalten wollen. Diese Enthaltung wirkt aber wie eine Ablehnung im EU-Rat und führt dazu, dass die Chatkontrolle nicht die notwendige Zustimmung hat. In einer früheren Version des Artikels war nicht genug klargeworden, dass es sich um eine Enthaltung handelt.
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Das Bundesverfassungsgericht stärkt das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und kassiert Teile des BKA-Gesetzes: Die Regelungen zur weitgehenden Bevorratung von Daten in der Polizeidatenbank INPOL sind teilweise verfassungswidrig. Künftig darf das BKA auch nicht mehr heimlich bloße Kontaktpersonen überwachen.
Das Gebäude des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe – CC-BY 2.0 Fred RomeroNancy Faeser (SPD) muss heute eine empfindliche Niederlage einstecken: Das BKA-Gesetz, für das sie sich bei der mündlichen Anhörung beim Bundesverfassungsgericht im Dezember letzten Jahres vehement starkmachte, ist in Teilen verfassungswidrig. Das haben die Karlsruher Richter heute entschieden.
Das Gesetz zur Neustrukturierung des Bundeskriminalamtgesetzes stammt noch von der schwarz-schwarz-roten Vorgängerregierung. Der vorher existierende Informationsverbund aller Polizeibehörden änderte sich dadurch von Grund auf: Die gesamte Informationsordnung des Bundeskriminalamts (BKA) wurde neu strukturiert, mit sehr weitreichenden neuen Speicherungen in der Verbunddatenbank INPOL, auf die neben der Bundespolizei und der Zollverwaltung alle Polizeibehörden für alle erdenklichen Auswertungszwecke zugreifen können. Eine massive und anwachsende Bevorratung der personenbezogenen Daten zum Zweck der Terrorismusabwehr war die Folge.
Einige wesentliche der neuen gesetzlichen Befugnisse zur Datenspeicherung sind mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht vereinbar. Die große Menge an Daten über Menschen, die in INPOL gespeichert werden dürfen, muss künftig beschränkt werden. Nicht jeder Beschuldigte einer beliebigen Straftat darf mehr in der außergewöhnlich großen Polizeidatenbank landen. Es muss eine hinreichend normierte Speicherungsschwelle und Speicherdauer festgesetzt werden.
Zudem ging es um die Datenerhebung: Die heimliche Überwachung von Kontaktpersonen, wie sie im BKA-Gesetz geregelt ist, wurde für verfassungswidrig erklärt. Solche Kontaktpersonen sind nicht selbst terroristischer Aktivitäten verdächtig, sondern gehören zum Umfeld von Beschuldigten. Eine solche heimliche Überwachung kann erheblich weit in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen, insbesondere „wenn die Maßnahmen gebündelt durchgeführt werden und dabei darauf zielen, möglichst alle Äußerungen und Bewegungen zu erfassen und bildlich wie akustisch festzuhalten“, schreibt das Bundesverfassungsgericht. Die Eingriffsschwelle der Vorschrift zu diesen heimlichen Überwachungsmaßnahmen ist unverhältnismäßig.
Sogenanntes Sicherheitspaket am HorizontDas BKA-Gesetz vom 1. Juni 2017 ist seit Mai 2018 in Kraft. Das Gesetz war eine Nachbesserung, da das zuvor geltende BKA-Gesetz vom Bundesverfassungsgericht im April 2016 ebenfalls als teilweise verfassungswidrig eingestuft wurde. Eine Vielzahl von materiellen und prozeduralen Defiziten musste korrigiert werden.
Die Höchstrichter haben die im Mai 2019 eingereichte Verfassungsbeschwerde der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) heute nach mehr als fünf Jahren entschieden. Die verfassungswidrigen Vorschriften müssen nun bis zum 31. Juli 2025 überarbeitet werden, können aber mit einigen Einschränkungen weiter gelten.
Beschwerdeführer waren zwei Strafverteidigerinnen, zwei ehrenamtlich in der Fußball-Fanarbeit Engagierte und ein politischer Aktivist. Die GFF verbucht das Urteil als „Erfolg für die Freiheitsrechte“. Matthias Bäcker, Jura-Professor an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz und Autor der Verfassungsbeschwerde, dürfte vom heutigen Urteil nicht überrascht sein: Bereits als Sachverständiger hatte er in der Anhörung zum BKA-Gesetz im Jahr 2017 auf eklatante rechtliche Mängel hingewiesen. Er hatte den Abgeordneten im Ausschuss ins Stammbuch geschrieben, dass der Gesetzentwurf so nicht in Kraft gesetzt werden dürfe, wenn er vom Bundesverfassungsgericht nicht wieder einkassiert werden solle.
Bijan Moini, Legal Director der GFF und Verfahrensbevollmächtigter, weist anlässlich des heutigen Urteils auch auf die aktuelle Diskussion um Verschärfungen von Überwachungsbefugnissen hin: „Gerade liegt mit dem Sicherheitspaket erneut ein Gesetz im Bundestag, das tiefgreifende Verschärfungen im Sicherheitsrecht vorsieht – wieder einmal weit über die Grenzen des Grundgesetzes hinaus. Aus Respekt vor der Verfassung müssen diese grundrechtswidrigen Verschärfungen dringend zurückgestutzt werden – bevor es das Bundesverfassungsgericht wieder tut.“
Sieg für Pressefreiheit und FußballfansDer Deutsche Journalisten-Verband sieht in dem heutigen Urteil auch einen Sieg für die Pressefreiheit. Für den DJV-Bundesvorsitzenden Mika Beuster profitieren vor allem „Journalistinnen und Journalisten, die Recherchen in kriminellen Milieus durchführten“, von dem Richterspruch. „Die bisherige Praxis läuft nach dem Motto ,mitgehangen, mitgefangen‘.“ Karlsruhe hätte „unübersehbar das Stoppschild aufgestellt“.
Auch organisierte Fußballfans sind über das Urteil erfreut: Die Grün-Weiße Hilfe sieht mit der Entscheidung auch die Rechtsgrundlagen für die Datei „Gewalttäter Sport“ als verfassungswidrig an. Fußballfans könnten schon wegen des Vorwurfs eines Bagatelldelikts in der Datei „Gewalttäter Sport“ landen, selbst wenn das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt wurde, erklärt der Verein. Dann drohten beispielsweise unangenehme polizeiliche Befragungen, Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen oder sogar Freiheitsentzug. Es reiche nun nicht mehr aus, ein Beschuldigter einer geringfügigen Straftat gewesen zu sein, um in Polizeidatenbanken wie der Datei „Gewalttäter Sport“ zu landen.
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SPD-Mitglieder distanzieren sich vom Kurs der Partei in der Migrationspolitik. Jetzt bekommen sie Unterstützung von weiteren Bundestagsabgeordneten: „Auch wir halten den Kurs, der gerade in der SPD in der Migrations- und Asylpolitik eingeschlagen wird, für falsch.“
Kontrollen an den deutsch-polnischen Grenze auf Initiative von SPD-Innenministerin Nancy Faeser. – Alle Rechte vorbehalten IMAGODer Streit in der SPD um den Kurs in der Asyl- und Sicherheitspolitik spitzt sich zu. Besonders scharfe Kritik kommt jetzt aus der Bundestagsfraktion. 35 Abgeordnete haben gestern auf einen offenen Brief reagiert, in dem Sozialdemokrat:innen vor einigen Tagen ihre Genoss:innen in der Regierung und im Bundestag zu einem Beilenken auffordern und einen „Diskurs der Stigmatisierung“ anprangern. „Auch wir halten den Kurs, der gerade in der SPD in der Migrations- und Asylpolitik eingeschlagen wird, für falsch“, heißt es in dem Text, den viele der Abgeordneten zeitgleich in den Sozialen Medien teilten.
Zwar sei es richtig, nach einem Anschlag wie dem von Solingen auf das Bedürfnis nach mehr Sicherheit einzugehen. Einige der Maßnahmen, wie etwa das Waffenrecht zu verschärfen oder „Hassbotschaften zu stoppen“ halten sie daher für richtig. Dabei müsse man aber mit Augenmaß „zwischen Sicherheit und Freiheitsrechten abwägen“. „Nicht jede Rechtsverschärfung ist zweckdienlich, nicht jede neue Kompetenz für Sicherheitsbehörden ist notwendig und verhältnismäßig“, heißt es in der ausführlichen Version der Antwort, die auf der Webseite der Abgeordneten Carmen Wegge zu lesen ist.
Zu den Unterzeichner:innen zählen mit Dirk-Ulrich Mende, Annika Klose und Nadja Sthamer mehrere Abgeordnete, die bereits den offenen Brief mit verantwortet haben. Zu ihnen kommen nun weitere wie Hakan Demir, Fabian Funke oder die Digitalpolitikerin Anna Kassautzki. „Wir teilen Eure Trauer, Eure Wut und Eure Zweifel angesichts des aktuellen Diskurses“, schreiben sie an die Unterzeichner:innen des offenen Briefes mit dem Titel „Eintreten für Würde“ gerichtet. Er soll inzwischen laut Initiator:innen von mehr als 12.000 Menschen unterzeichnet worden sein, darunter auch tausende Parteimitglieder.
Ampel will anlasslose Personenkontrollen und Durchsuchungen fast überall
„Migration ist nicht die Ursache von Anschlägen“Vor allem in einem Punkt schließen sie sich der Kritik an: „Alle die aktuelle sicherheitspolitische Fragen auf Migrationspolitik herunterbrechen, machen es sich viel zu einfach“, heißt im Text. „Migration ist NICHT die Ursache von Anschlägen.“ Wer nach terroristischen Anschlägen mehr Grenzkontrollen, mehr Abschiebungen und mehr repressive Maßnahmen in der Migrationspolitik fordere, unterstelle falsche Zusammenhänge und verschiebe den Diskurs. „Dabei sollten wir das Gegenteil tun: Haltung zeigen, uns der Agenda der Rechten entgegenstellen und diese konstruierte Argumentationskette durchbrechen.“
Die Abgeordneten kritisieren besonders den geplanten Ausschluss einiger Asylsuchender von Sozialleistungen, anlasslose Kontrollen, den Abgleich biometrischer Daten sowie die von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) angeordneten Grenzkontrollen. Geplant ist etwa für bestimmte Geflüchteten, die bereits in einem anderen EU-Staat registriert sind, nach zwei Wochen alle Sozialleistungen zu streichen. Das Bundeskriminalamt soll mit dem biometrischen Abgleich von Stimmproben und Gesichtern auf den sozialen Medien nach Personen suchen dürfen. Die Polizei soll außerdem an vielen Orten Menschen ohne Verdacht anhalten und durchsuchen dürfen. Bisher brauchte sie dafür einen Anlass. Die Abgeordneten schreiben, sie hätten bereits in den vergangenen Tagen innerhalb der Fraktion versucht, diese Maßnahmen zu verhindern.
Gerade jetzt dürften nicht die Mittel für wesentliche politische Maßnahmen wie Integrationskurse, psychosoziale Beratung oder den Haushalt der Integrationsbeauftragten gekürzt werden. „Statt asylpolitischer Abwehrkämpfe wollen wir uns wieder Projekten widmen, die das Leben von Menschen leichter machen und den Geist der Solidarität atmen“, schreiben sie und nennen als Beispiele Erleichterungen des Familiennachzugs oder einen schnelleren Zugang zu Arbeit und eigenem Lebensunterhalt.
So will die Bundesregierung Asyl- und Polizeigesetze verschärfen
Olaf Scholz sieht sich im Kurs bestärktDer Gegenwind aus der Partei für den Kurs von Kanzler Olaf Scholz in der Asylpolitik wird immer stärker. Jetzt wird es darum gehen, wie viele weitere Abgeordnete sich der Kritik anschließen und ob es genug sind, um eine Mehrheit für das geplante Überwachungspaket zu gefährden. Geplant ist derzeit, die Maßnahmen in der zweiten oder dritten Oktoberwoche zu verabschieden, sagte der stellvertretende Fraktionsvize Dirk Wiese dem Parteiblatt Vorwärts.
Ursprünglich sollte der Bundestag das Paket bereits vergangene Woche beschließen. In einer Expert:innenanhörung am Montag hagelte es dann aber von vielen Seiten Kritik. Tags darauf griffen Sozialdemokrat:innen in dem Offenen Brief das „Sicherheitspaket“ und seine Verfechter:innen frontal an. Und auch bei den Grünen ist man nicht darauf bedacht, das Paket möglichst schnell zu beschließen. Die Abstimmung wurde daraufhin verschoben.
Bundeskanzler Olaf Scholz hatte die Kritik zurück gewiesen. Über seinen Regierungssprecher ließ es mitteilen, er fühle sich von den Unterzeichner:innen des Briefes „in seinem Kurs bestärkt“. Dieser baue auf der Menschenwürde auf und schütze auch „ganz klar das Grundrecht auf Asyl“. Die Initiator:innen konterten das umgehend in ihrem Instagram-Account: „Wir ‚bestärken‘ NICHT den eingeschlagenen Kurs, sondern appellieren eindringlich an unsere SPD-Spitze: Verlasst diesen Kurs!“
Auch Juso-Chef Philipp Türmer stellte im Spiegel klar: „Das ist kein Rückenwind, sondern Gegenwind! Olaf Scholz weiß ganz genau, dass sein Kurs nicht von sozialdemokratischen Werten geleitet ist. Deswegen stellen sich so viele Genossinnen und Genossen dagegen und widersprechen ihm.“
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Wen juckt es denn, ob ich WhatsApp nutze oder nicht? Können wir jetzt weitermachen? Nein. Das Private ist politisch.
Social Media: Was man nicht will, kann man auch löschen. – CC-BY 2.0 ajay_sureshDaniel Guagnin hat Soziologie und Informatik studiert und sich während seiner Promotion auf Techniksoziologie spezialisiert. Er ist aktiv im FIfF. Beruflich forscht und berät er am nexus-Institut in Berlin zu partizipativer Technikentwicklung.
Egal, ob wir über die (real existierende) totale Überwachung der Geheimdienste sprechen oder über Digitale Souveräntität und Digitale Mündigkeit oder auf dem Elternabend von Schule oder Kindergarten: Eine Diskussion lässt einerseits Augen rollen oder Achsel zucken und andererseits Bäuche krampfen oder auch Fäuste ballen. So trivial die Frage einer praktischen und allgemein leicht nutzbaren und möglichst weit verbreiteten Lösung für „Instant Messages“ (Kurznachrichten) in Menschengruppen scheint, so sehr treffen hier globale Machtstrukturen, Datenschutz, individuelle Überforderung, Unwillen, Kapitulation und Gleichgültigkeit aufeinander.
Muss ich jetzt wieder Querulant sein und alle damit nerven, dass ich kein WhatsApp nutzen will?
Muss der jetzt wieder nerven, mit seiner Verweigerungshaltung? Wegen des einen Querulanten müssen alle anderen jetzt noch eine von diesen nervigen (weil ungewohnten) Open-Source-Apps nutzen?
Einfach ja, ja und ja! Warum – anders als bei Querulanten – die „Klagen oder Beschwerden“ nicht unberechtigt sind: hier ein Plädoyer für die Unbeirrbarkeit. Auch wenn es unmöglich erscheint, allein das strukturelle Problem globaler Infrastrukturen zu lösen: Es lohnt sich doch, andere dafür zu gewinnen und langsam, aber sukzessive gemeinsam Netze zu bilden.
Technik ist faktisch auch SozialstrukturTechnik kann als gesellschaftliche Struktur betrachtet werden, die Auswirkungen auf unser aller Leben hat. Ihre Beschaffenheit beeinflusst unsere Handlungen, über Menüführung, Bereitstellung und Vorgabe von Interaktionsmöglichkeiten und von Informationen. Technik kann aber bewusst gestaltet werden – mit wohlüberlegten Zielen. Ein Weg, gemeinschaftlich die Regeln der Funktionsweise von Software auszuhandeln, ist die Praxis ihrer gemeinschaftlichen Produktion, wie bei Freier/Open-Source-Software (FLOSS).
An einem kleinen Beispiel möchte ich illustrieren, warum es so wichtig ist, die Wahl zu haben und seine Wahl bewusst zu treffen. Durch die bestehenden Strukturen wie etablierte Technologien und Gewohnheiten ergeben sich soziale Zwänge. Gesellschaftliche Normalitäten, wie beispielsweise die Ausbreitung der Nutzung von vielfältigen Apps für ganz alltägliche Aufgaben, haben eine starke faktische Prägungskraft. Auch die massive Verbreitung von WhatsApp macht Menschen, die sich dem verweigern, in vielfältigen sozialen Zusammenhängen – vom Sportverein über Elterngruppen bis zum Familienchat – zu Querulanten.
Ganz selektiv greife ich wenige Aspekte aus der Diskussion WhatsApp vs. Signal heraus, um daran einerseits die Rolle der technischen Transparenz von FLOSS und andererseits Netzwerkeffekte von Technologien zu beleuchten. In dieser Hinsicht unterscheidet sich nämlich die Diskussion von der üblichen Frage des ethischen Konsums, da die Nutzung oder Nicht-Nutzung einer technischen Infrastruktur Auswirkungen auf andere Nutzer:innen hat.
Technische Transparenz sticht DatenschutzerklärungIm Juni 2021 machte die hinter Signal stehende Organisation Open Whisper Systems auf sich aufmerksam mit einer Kampagne, die Werbekategorien von Meta sichtbar zu machen, die auf weitreichendem Tracking von Online-Verhalten basieren. Dies sollte auf potentiell problematische Wirkungen von „Online Behavioral Advertising“ hinweisen und damit Argumente liefern, warum die Messenger-App Signal die „bessere Alternative“ zu WhatsApp sei. Die geplante Signal-Werbung auf Instagram (sowohl WhatsApp als auch Instagram gehören zu Meta) sollte beispielsweise so aussehen:
Du bekommst diese Werbung angezeigt, weil du Lehrer bist, und vor allem, weil du Sternzeichen Löwe bist (und Single). Diese Werbung nutzt deine Location um zu sehen, du bist in Moskau. Du unterstützt gern Sketch-Comedy und diese Anzeige denkt, dass du dich gern als Drag-Künstler verkleidest.“ (Hervorgehobene Wörter sind individuelle Analyseergebnisse)
Instagram-Werbung von SignalDie umfassenden Informationen über ihre Nutzer:innen erhält der Konzern Meta über die Analyse des Verhaltens in seinen sozialen Netzwerken Facebook und Instagram, aber – und das war eine Neuerung – auch nach Änderung der Nutzungsbedingungen (möglicherweise) durch die Nutzung von WhatsApp. An der verblüffenden Werbeanzeige – Meta bestritt, dass diese jemals versucht wurde zu schalten – zeigen sich zwei Dimensionen von gesellschaftlicher Kontrolle durch Technik:
Bei der Übernahme von WhatsApp durch Facebook rangen die WhatsApp-Gründer im Jahr 2014 Mark Zuckerberg noch das Versprechen ab, fünf Jahre lang keine Monetarisierung von WhatsApp zu forcieren. 2018 verließ Brian Acton das Unternehmen, weil er die Verwertungspläne nicht mittragen wollte, und wechselte zu Signal. Ein Unternehmen ist frei in seinen Entscheidungen und folgt (meist) den Interessen der Kapitalvermehrung, diese Erfahrung hatte auch Brian Acton gemacht. Zusammen mit Moxie Marlinspike, dem Gründer von Open Whisper Systems, startete er die Signal Foundation, deren Mission lautet: „Protecting free expression and enable secure global communication through open source privacy technology.“
WhatsApp kann technisch betrachtet über die Telefonnummernabgleiche die sozialen Graphen ihrer Nutzer:innen analysieren und diese mit anderen Informationen ihrer Werbenetzwerke verbinden. Ungeachtet der Verschlüsselung der Inhalte der Nachrichten bringt dies weitreichende Informationen zutage, da allein die Häufigkeit und Länge von Nachrichten sowie ihre Zeitpunkte weitreichende Rückschlüsse über die Nutzer:innen ermöglichen.
Ob das wirklich getan wird oder nicht, lässt sich nicht so leicht abschließend beurteilen. Während Meta in den FAQ zu WhatsApp eindeutig sagt: „Wir bewahren keine Protokolle dazu auf, wer wem Nachrichten sendet oder wer wen anruft“, legen Investigativ-Recherchen nahe, dass genau dies beispielsweise zu einer Verhaftung einer Whistleblowerin geführt haben soll.
Seit nun sechs Jahren streiten Datenschutzjuristen über die Datenschutzkonformität der Dienste von Meta. Eine gründliche Untersuchung der zuständigen Datenschutzbehörde in Irland, ob WhatsApp personenbezogene Daten für Werbung, Marketing und Statistiken an Dritte weitergibt und inwieweit das im Einklang mit der Datenschutzgrundverordnung erfolgt, steht dabei immer noch aus.
Manipulative Effekte politischer zielgenauer Werbung wurden im Nachgang des Trump-Wahlkampfs am Fall von Cambridge Analytica diskutiert. Die Verstärkung von menschenverachtenden Gewaltspiralen von gezielten Empfehlungsalgorithmen auf Facebook wurde im Fall der Rohingya vor Gericht getragen, jedoch abgewiesen.
Während Datenschutzjuristen weiter darüber streiten, ob und in welcher Form nach EU-Gesetz unrechtmäßige Datenverarbeitungen stattfinden, wurde ein weiteres Gesetz verabschiedet: der Digital Services Act. Infolgedessen stehen weitere Veränderungen der Nutzungsbedingungen aus, die dem User die Entscheidung ermöglichen sollen, welche Daten nun wie zwischen den Meta-Diensten übertragen werden dürfen. Eine spannende Frage technischer Gestaltung wird sein, wie die Führung der Nutzer:innen Wahlfreiheiten gewährt und welche Anreize und technische Strukturen hier gesetzt werden.
Signal minimiert durch ausgefeilte technische Konzepte die Menge an Daten, um die deklarierte Mission zu erfüllen. Durch Konzepte wie „Private contact discovery“ oder „Sealed sender“ fallen nur minimale Daten an. Zudem dokumentiert Signal Rechtsanfragen und ihre Antworten, aus denen hervorgeht, dass außer dem Zeitpunkt der letzten Online-Verbindung einer Telefonnummer praktisch keine Daten vorhanden sind, die man mit den Behörden teilen könnte.
Dabei sind technische Konzepte und Wirkweisen öffentlich einsehbar. Design-Entscheidungen und Konzepte werden im Signal-Blog erläutert und in Github öffentlich diskutiert. Design-Entscheidungen, die eine kritische Masse an Kritiker:innen gefunden haben, wurden in einer Abspaltung (Fork) anderweitig umgesetzt. Beide Apps koexistieren und werden genutzt.
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Eigene Netzwerkeffekte entwickelnDas ist nur ein Beispiel von Technik, das zeigt, wie weitreichend Entscheidungen hinsichtlich der Gestaltung von Technologie sein können. Auch die Gestaltung der Technologie-Governance ist hierbei ein wesentlicher Punkt, der für die Setzung der expliziten Ziele relevant ist. Es gibt selbstredend weitere andere Messenger, die in bestimmten Punkten Signal ausstechen können. Die Vielfalt Freier Software ist groß.
In Anbetracht der mächtigen Netzwerkeffekte scheint es oft wenig zielführend, kleine Nischenprodukte zu nutzen. Aber Netzwerkeffekte betreffen nicht nur die Nützlichkeit eines Messengers, also möglichst viele andere Nutzer:innen antexten zu können, sondern die Hegemonie einzelner Anbieter stärkt auch deren Marktmacht und birgt zentralisiert eine Menge Informationen.
Signal hat es vom Underdog-Projekt (ehemals „Textsecure“) geschafft, eine kritische Masse an Nutzer:innen zu gewinnen, um Netzwerkeffekte aufzubauen – und stellt diese in den Dienst der eigenen Mission: ohne Werbung und für Meinungsfreiheit. Dies zeigt, dass auch Nischenprodukte das Potential haben können, Massen zu überzeugen, und dass den Monopolen das Terrain streitig gemacht werden kann. Einen wichtigen Beitrag zum Erfolg tragen auch Nutzer:innen, die unermüdlich Überzeugungsarbeit leisten und die auch in Kauf nehmen, aus manchen WhatsApp-Zirkeln rauszufallen. Mittelfristig wird es auch nötig sein, die finanzielle Basis für den Betrieb der Software auszubauen, durch eine wachsende Zahl von freiwillig zahlenden Unterstützer:innen. Der Grundstein ist dafür gelegt.
Technische Governance gemeinsam aushandelnTechnikgestaltung ist politisch, ebenso die Nutzung von Technik, die Netzwerkeffekte mit sich bringt. Am Beispiel von WhatsApp und Signal wird deutlich, welche Vorteile Freie-Software-Ansätze bringen können: in der Zielstellung jenseits von Profitorientierung sowie der – zwar nicht machtfreien, aber nachvollziehbaren und nicht-absoluten – Governance und der Nachvollziehbarkeit der technischen Funktionsweise auf Basis des Software-Quellcodes. FLOSS-Strukturen können Vertrauen stiften, das über Datenschutzerklärungen und Beteuerungen hinausgeht.
Technische Entwicklungen erfordern oft, zwischen Werten und Zielen wie Komfort und Sicherheit abzuwägen. Dies wurde in Signal oder WhatsApp unterschiedlich getroffen. Die anfängliche Idee von WhatsApp, die Telefonnummer als Identifikationsträger zu nutzen, führte zur schnellen Verbreitung und Adaption von WhatsApp und verdrängte schließlich die SMS. Datenschutzrisiken wurden erst nach Snowden und durch die Entwickler von Signal (damals „Textsecure“) genauer adressiert, die quelloffene Verschlüsselungstechnologie wurde anschließend an WhatsApp weitergegeben.
Um überhaupt eine Chance zu haben, Netzwerkeffekte zu entwickeln und als WhatsApp-Alternative wahrgenommen zu werden, wurde die Identität auch bei Signal auf der Telefonnummer aufgebaut: eine Entscheidung, die in der netzpolitischen Community immer kritisch diskutiert wurde. Erst nach aufwendigen Design-Anpassungen konnte Signal nun erreichen, dass Signal-Kontakte auch ohne Telefonnummer über Usernames verbunden werden können.
Dies zeigt auch die Schwierigkeiten, initiale technische (Modell-)Entscheidungen zu einem späteren Zeitpunkt zu ändern. Implizite Annahmen (Telefonnummern sind praktisch) und explizite Anforderungen (Telefonnummern sind in manchen Ländern ein Problem) können sich über die Zeit ändern. Daher gilt es, die Änderungen von Normen und Zielstellungen zu adressieren. In Signal wurden Design-Entscheidungen kritisch diskutiert, es gab Abspaltungen, die andere technische Entscheidungen favorisierten. Schließlich wurde mit der Implementierung von Usernames statt Telefonnummern eine fundamentale Funktionalität umgearbeitet.
Sicherlich sind Community-Strukturen nicht die alleinige Lösung. Wünschenswert ist darüber hinaus ein methodisch begleiteter partizipativer Entwicklungsprozess. Aber Communities können so gestaltet und geführt werden, dass sie auch eine breitere Beteiligung erlauben und beispielsweise Endnutzer:innen strukturell einbinden. Eine wichtige Rolle spielen dabei auch die Diskussions- und Organisationsstrukturen, und auch diese sind veränderbar.
Die Organisation von Signal hat sich durch die Gründung der Signal Foundation geändert. Auch die Organisationsstruktur von WhatsApp hat sich von einem erfolgreichen Start-up in einen großen Konzern gewandelt. Signal blieb über die Jahre Freie/Open-Source-Software und somit frei für verschiedene Abspaltungen, die mit den Design-Entscheidungen von Signal nicht einverstanden waren.
Der Politik von Technik Rechnung tragen: Bildet Netze!Die technischen Strukturen, die wir im Alltag nutzen, haben einen Einfluss auf unser Zusammenleben und schließlich auf die Governance, die hinter der Technologie steckt und essentielle Design-Entscheidungen trifft. Wir können versuchen, Technik partizipativ zu gestalten. Und wir können soziale Strukturen der Technikentwicklung gestalten und somit bewusst Werte in Technik wirksam werden lassen. Schließlich lohnt es sich zu streiten über die Herrschaft über Technologie, denn wertfreie Technik gibt es nicht.
Manchmal mag man sich allein fühlen bei der nächsten WhatsApp-Diskussion. Aber wir bleiben nicht allein, wenn wir gemeinsam Netze bilden. Jede:r kann dabei mitmachen. Und wenn es nur die Installation einer alternativen App ist – es ist ein Anfang. Jeder kleine Punkt im Netzwerk bildet neue Anknüpfungspunkte. So können wir dazu beitragen, Inseln zu bilden: Inseln der gemeinschaftlichen Aushandlung der (technischen) Regeln unseres Zusammenlebens.
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Ungarn hofft darauf, dass sich die EU-Mitgliedstaaten bei der Chatkontrolle einig werden. Sollte dies passieren, droht die Chatkontrolle in ihrer schlimmsten Form: Auch verschlüsselte interpersonelle Kommunikation würde gescannt werden, wenn der Vorschlag sich durchsetzt.
Kommt die Chatkontrolle, ist unsere Kommunikation nicht mehr sicher vor Beobachtung. (Symbolbild) – Public Domain generiert mit MidjourneyBei der Chatkontrolle wird es ernst. Für den kommenden Mittwoch steht die umstrittene Chatkontrolle auf der Tagesordnung des Ausschusses der Ständigen Vertreter des EU-Rates (PDF) als möglicher Punkt. Am 10. Oktober treffen sich dann die Justiz- und Innenminister:innen der Mitgliedstaaten, auch ist die Chatkontrolle auf der Tagesordnung. Verhandelt wird eine aktualisierte Version des bekannten Vorschlages der ungarischen Ratspräsidentschaft, der allerdings nur geringfügige Änderungen beinhaltet.
Die Grundprobleme der Chatkontrolle bleiben bei diesem Vorschlag bestehen: anlasslose Massenüberwachung, falsche Verdächtigungen, das Ende von zuverlässiger Verschlüsselung und Probleme mit der IT-Sicherheit. Dies bekräftigten in der vergangenen Woche Wissenschaftler:innen aus der ganzen Welt in einem offenen Brief.
Trotz dieser Probleme wackelt die knappe Sperrminorität der Gegner-Länder, die unter anderem von Deutschland gestützt wird. Kommt es zu einer Einigung im Rat, ist der Weg in den Trilog offen, bei dem EU-Kommission, Rat und Parlament die Verordnung weiter verhandeln. Nur das EU-Parlament hat bislang eine Position, die beispielsweise das Scannen verschlüsselter Kommunikation explizit ausschließt. Kritiker:innen sind deswegen alarmiert.
„Sollte der Vorschlag in der Variante von Ungarn durch den Rat gehen, droht die Chatkontrolle in ihrer schlimmsten Form“, sagt Elina Eickstädt vom Chaos Computer Club gegenüber netzpolitik.org. „Es ist zu erwarten, dass die sehr gute Parlamentsposition im Trilog nicht halten wird und das Scannen von jeglicher interpersoneller Kommunikation kommt. Eine Einigung im Rat wäre ein Zeichen der Zusammenarbeit aller populistischen und faschistischen Regierungen der EU, die Vorbild werden könnte im Hinblick auf weiter ausufernde Überwachungsinfrastrukturen.“
Was ist die Chatkontrolle?Die EU-Kommission will mit der so genannten CSAM-Verordnung gegen sexualisierte Gewalt gegen Kinder vorgehen. Sie möchte dafür Internetdienste per Anordnung verpflichten, die Inhalte ihrer Nutzer auf Straftaten zu durchsuchen und bei Verdacht an Behörden zu schicken. Das EU-Parlament bezeichnet das seit fast einem Jahr als Massenüberwachung und fordert, nur unverschlüsselte Inhalte von Verdächtigen zu scannen.
Die EU-Staaten können sich bisher nicht auf eine gemeinsame Position einigen. Mehrere Ratspräsidentschaften sind daran gescheitert, eine Einigung zu erzielen. Jetzt versucht es Ungarn. Die ungarische Ratspräsidentschaft schlägt vor, dass Dienste-Anbieter zunächst nur nach bekannten Straftaten suchen müssen – also nach Bildern und Videos, die bereits aufgefallen sind. Neues Material und Grooming sollen erst später verpflichtend werden, wenn die Technik gut genug ist.
Das Vorhaben der EU-Kommission steht weithin in der Kritik – und nicht nur von Digital- und Grundrechteorganisationen. So kommentiert unter anderem auch der Kinderschutzbund gemeinsam mit anderen Organisationen, dass die Verordnung gar nicht so sehr gegen die eigentliche sexualisierte Gewalt gegen Kinder helfe und dass stattdessen andere Maßnahmen eingeführt werden müssten. Vorschläge dazu sind etwa Kinderschutz-Hotlines und Präventionsprogramme, eine kinderfreundlichere Justiz und gesellschaftliche Programme, „die den Missbrauch wirksam stoppen, bevor er geschieht“.
Korrektur: In einer früheren Version hatten wir geschrieben, dass der Vorschlag vom 9. September verhandelt würde. Richtig ist, dass eine bisher nicht öffentlich gewordene Version vom 24. September verhandelt wird.
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Das Landgericht Hamburg hat die Klage eines Fotografen abgewiesen, der sich dagegen gewehrt hatte, dass eines seiner Fotos vom gemeinnützigen Verein LAION zum Training sogenannter Künstlicher Intelligenz angeboten wird. Als Forschungseinrichtung sei LAION dies erlaubt. Dabei verschenkt der Verein seine Daten auch an kommerzielle KI-Unternehmen.
KI-generiertes Bild von Senior*innen im Fitnesstudio. Damit das funktioniert, müssen Fotos wie das von Robert Kneschke zum Training benutzt werden. – Public Domain Generiert mit MidjourneyBildgeneratoren auf Basis sogenannter Künstlicher Intelligenz (KI) können Bilder von sportlichen Senior*innen generieren. Aber nur, weil sie zuvor Unmengen an Bildern zum Thema verarbeitet haben. Eines dieser Bilder, mit denen KI-Bildgeneratoren trainiert wurden, stammt von Robert Kneschke. Der Fotograf hatte eine Gruppe Senior*innen im Fitnesscenter fotografiert und das Bild über eine Fotoagentur zur entgeltlichen Nutzung angeboten.
Der Link zum Bild und eine dazugehörige Beschreibung landeten in einem Datensatz, der fast sechs Milliarden Bild-Text-Paare umfasst und den der gemeinnützige Verein LAION zum Training von Bildgeneratoren kostenlos anbietet. Er wurde unter anderem zum Training von Stable Diffusion genutzt. LAION wurde Ende 2023 bekannt, weil der Trainingsdatensatz der Firma damals zahlreiche Links zu Abbildungen von sexuellem Missbrauch Minderjähriger enthielt.
Kneschke klagte gegen die Nutzung seines Bildes. Es war der erste KI-Urheberrechtsprozess in Deutschland. Doch das Landgericht Hamburg wies seine Klage am Freitag ab. Nach Paragraf 60d des Urheberrechtsgesetzes sei die Verwendung der Bilder für wissenschaftliche Forschung erlaubt. LAION falle unter diese Ausnahmeregelung. Kneschke muss nun seine Anwaltskosten und die der Gegenseite tragen.
„Ein schwarzer Tag für die kreative Gemeinde“Robert Kneschke sagt gegenüber netzpolitik.org: „Es ist ein schwarzer Tag für die kreative Gemeinde in Deutschland.“ Aus seiner Sicht sei besonders problematisch, dass LAION eng mit der Firma Stability AI verzahnt sei, die den Bildgenerator Stable Diffusion betreibt. Es habe zum Beispiel personelle Überschneidungen gegeben.
Laut Paragraf 60d des Urheberrechtsgesetzes dürfen sich Institutionen, die mit einem privaten Unternehmen zusammenarbeiten, das einen bestimmenden Einfluss auf die Forschungsorganisation und einen bevorzugten Zugang zu den Ergebnissen der wissenschaftlichen Forschung hat, nicht auf das Wissenschaftsprivileg berufen. Doch ein solcher Zusammenhang konnte im Prozess nicht belegt werden.
„In der Firma wäre die Nutzung des Bildes verboten gewesen, so soll sie plötzlich legal sein. Das Ergebnis bleibt das Gleiche, mit dem Unterschied, dass gleich mehrere Firmen profitieren. Ich finde das eine Frechheit“, sagt Kneschke.
Wie man der Nutzung widersprichtDas Landgericht Hamburg hat sich auch mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Erfassung der Bilder rechtsgültig widersprochen wurde. Nach Paragraf 44b des Urheberrechtsgesetzes ist die automatisierte Erfassung von Daten nicht erlaubt, wenn der Rechteinhaber ihr in maschinenlesbarer Form widerspricht. Auf der Seite der Fotoagentur wurde die Erfassung in natürlicher Sprache abgelehnt.
Da die sogenannte KI jedoch auch in natürlicher Sprache geschriebene Texte inhaltlich erfassen kann, sei, so das Gericht, der Vorbehalt rechtskräftig gewesen. Wenn es also nicht um wissenschaftliche, sondern kommerzielle Zwecke gegangen wäre, wäre der Widerspruch in natürlicher Sprache gültig. Das sei auch von der KI-Verordnung der EU gedeckt, nach der zur Ermittlung eines möglichen Nutzungsvorbehalts auch modernste Technologien einzusetzen sind.
Kneschke überlegt, ob er gegen die Entscheidung des Landgerichts in Berufung gehen soll. Für Menschen, die derweil den Programmen, die Daten im Internet sammeln, Einhalt gebieten wollen, hat er auf seiner Website eine Anleitung veröffentlicht, die zeigt, wie man dazu eine maschinenlesbare Datei namens robots.txt schreibt. Eine solche Datei wird auf Webseiten benutzt, um beispielsweise einer Indizierung durch Suchmaschinen zu widersprechen – oder eben auch Firmen, die die Inhalte zum Trainieren benutzen. Ob die eigenen Daten bereits zum Training von Künstlicher Intelligenz genutzt wurden, zeigt die Seite haveibeentrained.com.
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